Tortenschlacht
bedenken, »und Ihr Mann bedauerlicherweise tot. Wem würden Sie noch schaden, wenn Sie mir erzählten, was Sie wissen?«
Johanna von Lahn blieb unbewegt. »Vielleicht der Sicherheit unseres Staates?«
»Oder der«, wagte sich Hünerbein weiter vor, »ostdeutschen Staatssicherheit?«
Johanna von Lahn ging nicht auf das Bonmot ein. Vielleicht hatte sie es nicht bemerkt, oder aber sie ließ es sich nicht anmerken.
»Die DDR ist tot«, insistierte Hünerbein, »und der Kalte Krieg vorbei. Sie sollten reden.«
Johanna von Lahn sah nachdenklich aufs Wasser. »Werner war besessen von dem Gedanken, den Kommunisten zu schaden«, sagte sie nach einer Weile leise. »Er hasste die Teilung Berlins, diese ganze verdammte Nachkriegsordnung, die halb Europa gespalten hatte. Er war ganz vernarrt in die Idee, es ihnen heimzuzahlen.«
»Wem?« Hünerbein setzte sich gerade hin.
»Na, diesen Ulbrichts und Stophs im Osten.« Johanna von Lahn seufzte. »Anfang der sechziger Jahre hat er sich deshalb dem Verfassungsschutz angedient. Ich war immer dagegen.«
»Dem Verfassungsschutz?« Hünerbein war irritiert. »Hier in Berlin?«
»Ja.« Johanna von Lahn lachte bitter auf. »Sie wollten die Stasi unterwandern. Sozusagen als Agenten in der Höhle des Löwen hocken. Na ja, wenn sie Erfolg gehabt hätten, wäre es nie zu Guillaume oder der Affäre Burger gekommen.«
»Aber?«
»Sie hatten keinen Erfolg.« Johanna von Lahn hob die Hände. »Das ganze Vorhaben scheiterte schon im Ansatz.«
»Inwiefern?« Hünerbein steckte sich unruhig eine Zigarette an. Hatte er endlich das Schloss gefunden, in das Friedrichs’ Schlüssel passte?
»Die Kommunisten waren extrem misstrauisch«, antwortete Johanna von Lahn, »gegenüber Leuten aus dem Westen. Werner stammte ja aus gutem Hause. Der Name ›von Lahn‹ war auch drüben ein Begriff. Er musste sich etwas einfallen lassen, um ihr Vertrauen zu gewinnen. Eine Aktion, die die Stasi überzeugte, dass er es ernst meinte.«
»Was für eine Aktion war das?«
»Ich weiß es nicht.« Johanna von Lahn schüttelte den Kopf. »Es ging wohl um irgendeinen Landwirt, der sich weigerte, Hof und Acker abzugeben, glaube ich. Da drüben lief ja die große Kollektivierung.«
Arndt, dachte Hünerbein, das war es also wirklich. Die Sache war nicht von der Stasi ausgeheckt worden, sondern von Werner von Lahn und den Leuten vom Verfassungsschutz. Um sich der Stasi so anzudienen.
»Wie gesagt, die Sache ging gründlich in die Hose.« Johanna von Lahn winkte dem Kellner. »Er sprach einmal davon, dass seine eigene Truppe von ostdeutschen Spitzeln durchsetzt worden war. Die waren einfach pfiffiger, die hatten ihn gleich durchschaut. Er hat nie wieder davon gesprochen.«
»Verstehe«, sagte Hünerbein. Immerhin war damals ein junges Mädchen zu Tode gekommen. »Aber wer hat ihn jetzt deswegen erpresst?«
»Woher soll ich das wissen?« Johanna von Lahn zahlte. »Vielleicht dieser Landwirt von damals?«
Mhm, dachte Hünerbein. Und dann hat Werner von Lahn ihn umgebracht? Oder umbringen lassen? Das wäre immerhin möglich, klärte aber nicht die Frage, wie Lahn am Ende selbst zu Tode gekommen war. Vertrackter Fall. Dennoch hatte Hünerbein das Gefühl, kurz vor der Lösung zu stehen. Er sah Johanna von Lahn an.
»Ich danke Ihnen. Sie haben mir sehr geholfen.«
»Keine Ursache«, erwiderte die und erhob sich, »Sie haben mir schließlich auch geholfen. Ohne Ihren Trick mit der Auskunft wäre ich nie an die Nummer von der DOMIZIL gekommen.«
»Und?« Hünerbein sah auf. »Hat es Ihnen genützt?«
»Ich denke schon.« Johanna von Lahn lächelte knapp. »Ich habe verkauft.«
»Was? Ihre Ansprüche auf Restitution?«
»Ja.« Johanna von Lahn verabschiedete sich. »So bin ich aus dem Gröbsten raus. Und kann sogar die Beerdigung meines Mannes bezahlen.«
Glückwunsch, dachte Hünerbein. Mal sehen, was dieser Meyer dazu zu sagen hat.
Diesmal meldete er sich telefonisch an und hatte Erfolg. In der DOMIZIL erwartete man ihn schon, auf sein Klingeln hin surrte wie von Geisterhand der Türöffner, ein Fahrstuhl öffnete sich und brachte ihn in ein exklusives Penthouse hoch über der Innenstadt. Immobiliengeschäfte schienen sich zu lohnen.
Verblüfft starrte er auf die elegante Frau, die ihn durch die weitläufigen Räume führte. »Monika! Schon wieder?«
»Wie gesagt, ich arbeite hier.« Sie lächelte ihn an. »Der Chef erwartet dich.« Sie öffnete die Tür zu einem großzügigen Büro mit grandiosem Blick
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