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Total Recall

Total Recall

Titel: Total Recall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Dürr (VS Mihr)
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ausgetragen, im Miami Beach Auditorium, einer großen modernen Halle mit 2700 Sitzplätzen, wo sonst die populäre Jackie Gleason Show aufgezeichnet wurde. Ich hatte die Veranstaltungen, die dem eigentlichen Wettkampf vorausgingen, verpasst – die Interviews, Cocktailpartys, Film- und Fernsehaufnahmen und die Werbeaktionen –, dennoch erschien mir alles sehr groß und amerikanisch. Überall sah man Bodybuilder-Legenden, etwa Dave Draper und Chuck Sipes, die beide Mister America und Mister Universum gewesen waren.
    Zum ersten Mal begegnete ich auch dem absoluten Bodybuilding-Champion weltweit, Sergio Oliva. Sergio war Kubaner und der erste Nichtweiße, der Mister America, Mister World, Mister International, Mister Universum und Mister Olympia geworden war. Noch in der Vorwoche hatte er zum zweiten Mal in Folge den Titel des Mister Olympia geholt. Obwohl ich noch nicht in seiner Liga spielte, wusste er, dass wir bald gegeneinander antreten würden, und sagte einem Reporter über mich: »Er ist sehr gut. Das nächste Jahr wird hart. Aber das ist okay für mich. Ich trete nicht gern gegen Kinder an.« Als ich das hörte, dachte ich: »Aha, die Psychospielchen haben also schon begonnen.«
    Beim Wettbewerb traten zwei Dutzend Bodybuilder an, unterteilt in zwei Gruppen: groß und klein. Bei den Pflichtposen am Vor- und Nachmittag schlug ich die anderen »Großen« in meiner Gruppe locker. Aber der Beste bei den »Kleinen« war Mister America, Frank Zane, und er war ausgerechnet in Bestform. In der Vorwoche hatte er in New York den Titel des Mister America gewonnen. Ich war so groß, gut proportioniert und stark wie in London. Ich verfügte über dieselbe beeindruckende Muskelmasse. Aber nach einer Woche Däumchendrehen war ich ein bisschen schwerer, als ideal gewesen wäre, was bedeutete, dass mein Körper beim Posing etwas glatt und weniger scharf definiert wirkte. Schlimmer noch, Zanes Körper war nicht nur perfekt proportioniert, muskulös und hart, sondern auch noch dunkel gebräunt, während ich so weiß wie ein Fußball war.
    Vor dem abendlichen Finale lag er nach Punkten vorn.
    Abends vor Zuschauern hatte ich das Gefühl, dass sich mein Aussehen um hundert Prozent verbessert hätte, weil die überflüssigen Pfunde nach dem stundenlangen Muskelanspannen und Posieren in der Wärme der Scheinwerfer weggeschmolzen waren. Die Entscheidung zwischen Frank Zane und mir war so knapp, dass wir bei der letzten Wertung der Richter die gleiche Punktzahl bekamen. Aber Frank hatte aus den vorherigen Wertungen mehr Punkte, also war er der Sieger, nicht ich. Ich stand auf der Bühne und bemühte mich, nicht allzu verblüfft darüber zu wirken, dass ein Kerl gewonnen hatte, der zwölf Zentimeter kleiner und zwölf Kilo leichter war.
    Für mich war das ein harter Schlag. Endlich war ich in Amerika, wie ich es mir immer erträumt hatte, und dann verlor ich den Mister-Universum-Wettkampf in Miami. Gegen einen leichteren und kleineren Gegner. Ich hatte mich schon als Sieger gesehen, weil Frank in meinen Augen einfach nicht groß genug war, um gegen mich zu gewinnen. Mir fehlte es zwar an Definition, aber er war, verglichen mit mir, ein dürrer Hänfling.
    In der Nacht überkam mich die nackte Verzweiflung. Meine gute Laune lässt mich fast nie im Stich, aber jetzt war ich am Boden zerstört. Ich war in einem fremden Land, meine Familie und Freunde waren weit weg, ich war umgeben von Fremden, deren Sprache ich nicht verstand. Wie war ich überhaupt hierhergekommen? Ich kam mir hilflos vor. Alles, was ich besaß, befand sich in einer kleinen Sporttasche, den Rest hatte ich zurückgelassen. Wahrscheinlich hatte ich auch keinen Job mehr. Ich hatte kein Geld und wusste nicht, wie ich nach Hause kommen sollte.
    Aber am schlimmsten war, dass ich den Wettkampf verloren hatte. Der große Joe Weider hatte mich über den Atlantik geholt und mir diese Chance gegeben, aber anstatt sie zu nutzen, hatte ich mich blamiert und keine gute Leistung gebracht. Ich teilte mir das Hotelzimmer mit Roy Callender, einem schwarzem Bodybuilder aus England, der ebenfalls am Wettkampf in London teilgenommen hatte. Er war sehr nett und versuchte, mir über meine Niederlage hinwegzuhelfen. Roy war viel reifer als ich und redete über Dinge, die ich nicht richtig verstand. Er sprach über Gefühle. »Ja, das ist hart, nach einem so großen Sieg wie in London zu verlieren«, sagte er. »Aber denk dran, nächstes Jahr wirst du gewinnen, und dann wird sich niemand mehr

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