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Total Recall

Total Recall

Titel: Total Recall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Dürr (VS Mihr)
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Vince’s Gym, wo ich trainieren wollte. Die Tür auf meiner Seite funktionierte noch, also kletterte ich aus dem Wagen. Mein rechtes Bein brannte furchtbar. Durch den Aufprall war die Konsole zwischen den beiden Sitzen zertrümmert worden, und als ich auf mein Bein schaute, ragte da ein großer Plastiksplitter aus dem Oberschenkel. Ich zog ihn raus, aber daraufhin lief mir sofort das Blut am Bein hinunter.
    Ich war total durcheinander. Mir fiel nur noch ein, dass ich im Fitnessstudio um Hilfe bitten könnte. Also hinkte ich ins Studio und sagte: »Ich hatte gerade einen dicken Unfall.« Einige Bodybuilder erkannten mich, aber derjenige, der sich um mich kümmerte, wusste nicht, wer ich war. Zufällig war er Rechtsanwalt. »Sie gehen besser zurück zu Ihrem Wagen«, sagte er. »Sie dürfen den Unfallort nicht einfach verlassen. Das nennt man hier ›hit-and-run‹, verstehen Sie? Hit-and-run. Das kann schlimme Konsequenzen haben. Also gehen Sie zurück zu Ihrem Auto und warten Sie auf die Polizei.«
    Er begriff, dass ich erst seit kurzem in den USA war und nicht besonders gut Englisch sprach.
    »Aber ich bin hier!«, sagte ich. »Und ich kann rüberschauen.« Ich meinte, dass ich sehen würde, wenn die Polizei kam, und dann hingehen könnte.
    »Glauben Sie mir! Gehen Sie einfach zurück zum Wagen.«
    Dann zeigte ich ihm mein Bein. »Kennen Sie einen Arzt, der mir helfen kann?«
    Er sah das Blut und murmelte: »O mein Gott.« Dann überlegte er kurz. »Ich werde ein paar Freunde anrufen. Sie sind wahrscheinlich nicht krankenversichert?« Ich hatte Mühe, ihn zu verstehen, wir kamen aber schließlich überein, dass ich keinerlei Versicherung hatte. Jemand gab mir ein Handtuch, um die Blutung zu stillen.
    Ich ging zurück zum Wagen. Die Leute waren vom Unfall geschockt und schimpften, weil sie zu spät zur Arbeit kamen, ihre Autos demoliert waren und sie sich jetzt um den ganzen Versicherungskram kümmern mussten. Aber niemand beschimpfte oder beschuldigte mich. Sobald sich der inzwischen eingetroffene Polizist vergewissert hatte, dass der Fahrerin des Käfers nichts passiert war, ließ er mich ohne Vorladung ziehen und sagte nur: »Sie bluten. Sie sollten damit zum Arzt.« Ein befreundeter Bodybuilder namens Bill Drake brachte mich zum Arzt und bezahlte freundlicherweise die Rechnung, während ich wieder zusammengeflickt wurde.
    Ich hatte durch mein idiotisches Verhalten einen schweren Unfall verursacht. Heute wünschte ich, ich hätte die Namen der Beteiligten, damit ich ihnen schreiben und mich bei ihnen entschuldigen könnte.
    Ich wusste, dass ich großes Glück gehabt hatte: In Europa war die Polizei bei solchen Vorfällen viel strenger. Ich hätte verhaftet werden können, als Ausländer wäre ich womöglich im Gefängnis gelandet oder abgeschoben worden. Auf jeden Fall hätte ich eine saftige Geldstrafe zahlen müssen. Doch die Polizisten in Los Angeles vertraten die Ansicht, dass die Straße glatt war und es daher einfach ein Unfall gewesen war. Da es keine schweren Verletzungen gab, zählte nun in erster Linie, dass der Verkehr wieder fließen konnte. Der Polizist, der mit mir sprach, war sehr höflich. Er betrachtete meinen internationalen Führerschein und fragte: »Brauchen Sie einen Krankenwagen, oder geht es so?« Zwei Jungs vom Fitnessstudio sagten ihm, dass ich erst seit ein paar Tagen in den USA war. Dass ich kein Englisch konnte, war ziemlich offenkundig, sosehr ich mich auch bemühte.
    Als ich mich am Abend schlafen legte, sah ich meine Situation durchaus optimistisch. Ich musste zwar noch mit dem Krokodilringer klären, dass ich sein Auto zu Schrott gefahren hatte, aber Amerika war ein tolles Land.
    Dabei war mein erster Eindruck von Los Angeles ein Schock. Für mich bedeutete Amerika vor allem: Größe. Riesige Wolkenkratzer, gigantische Brücken, spektakuläre Neonreklamen, breite Highways, dicke Autos. New York und Miami hatten meine Erwartungen voll und ganz erfüllt, und irgendwie hatte ich mir vorgestellt, dass Los Angeles genauso beeindruckend sein würde. Aber dann gab es nur ein paar Hochhäuser im Zentrum, und alles wirkte ziemlich schäbig. Der Strand war groß, aber wo waren die hohen Wellen und die Surfer?
    Auch vom Gold’s Gym, dem Mekka des amerikanischen Bodybuilding, war ich zunächst enttäuscht. Jahrelang hatte ich Weiders Bodybuilding-Magazine verschlungen, ohne zu erkennen, dass dort alles viel größer präsentiert wurde, als es tatsächlich war. Ich sah mir die Fotos

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