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Tote essen kein Fast Food

Tote essen kein Fast Food

Titel: Tote essen kein Fast Food Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Baron
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die Wand gelehnt und hinter einem Vorhang verborgen ein altmodisches Doppelbettgestell entdeckt. „Wunderschön.“ Verzückt strich Svea über den geschwungenen dunkelbraunen Rahmen mit dem Wiener Geflecht, auf dem ihre Finger eine glänzende Spur im Staub hinterließen. Nachdem wir zu viert das gute Stück zerlegt und die enge Bodentreppe hinunterbugsiert hatten, stellte sich heraus, dass Tante Hedi sich wohl doch nicht ausschließlich für den Schilfrohrsänger und den dunklen Wasserläufer interessiert hatte. Eingeritzt ins Holz entdeckten wir am Fußende ein angestaubtes Graffito: „H + P“, umrandet von einem dicken Herz, das einem Hintern ähnelte. „Wie romantisch.“ Svea war begeistert.
    â€žVoll die coole Socke, deine Tante“, erklärte Frida, während Martin sinnierte.
    â€žSie mal einer an. Die gute Tante Hedi. Wer hätte das gedacht.“ Er schüttelte ein paar Staubflocken aus seinen Haaren. „Wer wohl P war? Ich kann mich an keinen Peter oder Paul hier erinnern.“
    â€žVielleicht ja auch Pauline?“, grinste Svea und Martin warf ihr einen gespielt pikierten Blick zu. „Hast du was dagegen, wenn ich es weiß lasiere? Dann bleibt die Inschrift erhalten.“ Martin hatte nichts dagegen und so zogen die beiden zwei Tage später in Tante Hedis Schlafzimmer ein – Wand an Wand mit mir! – und das alte Singlebett verschwand unzeremoniell auf dem Dachboden.
    Wie ich es geahnt hatte, wurden Frida und ich am nächsten Tag in die XXL-Sandkiste am Lister Strand verfrachtet. Allerdings zum Glück nicht gemeinsam wie befürchtet. Martin fuhr uns zwar zusammen und mit vielen Belehrungen gegen halb elf hin, Frida erklärte aber zu meiner Erleichterung, sobald die Jeeptür mit einem blechernen Klicken hinter ihr zugefallen war, dass sie kein Kindermädchen brauche. „Ich bin schon groß und schwimmen kann ich wie ein Fisch.“
    â€žUmso besser. Ich leide nicht am Mary-Poppins-Syndrom.“
    Frida schob sich eine weiß umrandete Sonnenbrille auf die Nase, die einen Großteil ihrer Nutellasprossen bedeckte, klemmte sich die Taucherflossen unter den Arm und marschierte entschlossen auf die Bohlentreppe zu, die an der Strandhalle vorbei zum Strand führte. Es ist das Letzte. Frida ist wirklich fast so groß wie ich und hat die gleiche Schuhgröße (auch ohne Taucherflossen). Mit zehn! Das ist unfair hoch fünf. Und zu verstehen schon mal gar nicht. Die mendelschen Erb-Regeln, mit denen uns Öko-Rebhuhn in den letzten Wochen vor den Ferien ausgiebig genervt hat, hatten in meinem Fall offensichtlich gerade Pause. Martin misst 1,85 Meter und Britta 1,64. Warum, bitte schön, hat es dann bei mir nicht zu mehr gereicht als deprimierenden 158einhalb Zentimetern? Das ist einfach nur ein mieser Witz, für den kollektiv meine Großeltern verantwortlich sein müssen. Auch wenn Martin sagt, es kommt auf den Inhalt an, nicht auf die Verpackung. Haha! Sieht man ja an seiner langbeinigen Svea. Wenn ich daran denke, dass Frida in spätestens zwei Jahren meinen Scheitel von oben betrachten kann, krieg ich jetzt schon die Krätze. Aber vielleicht sind die zwei bis dahin ja wieder weg vom Fenster.
    Mit meinem von Britta aus einem alten Segel gefertigten Seesack über der Schulter angelte ich nach meinen Flipflops, die neben Martins Vorderreifen auf dem heißen Asphalt lagen, und tappte hinter ihr her.
    Sobald wir unseren Strandkorb bezogen hatten, diesmal vollkommen korrekt und mit Ticket, verschwand Frida mit Jasper Richtung Wasserkante, auf dem Kopf einen wagenradgroßen Strohhut, der aus Tante Hedis Beständen stammen musste. Darunter hatte sie einen quietschgrünen Neckholder-Badeanzug an, dessen weiß eingefasste Beine bis fast zur Mitte ihrer dünnen Oberschenkel reichten. Noch nie hatte ich eine derart selbstsichere Zehnjährige getroffen. Für wen hielt sie sich eigentlich? Sie sah aus, als sei sie einem dieser hundert Jahre alten Fotos entsprungen, auf denen stramme Schnurrbarttypen am Strand turnten. Wo hatte sie dieses Retro-Teil bloß aufgetrieben? Zu übersehen war sie darin jedenfalls nicht.
    Umso besser. Die Nordsee schwappte in aller Unschuld vor sich hin, sodass Frida außer Feuerquallen und Seeigeln keine akuten Gefahren für Leib und Leben drohten. Außerdem waren genügend andere Leute am Strand, die ein Auge auf sie haben konnten. Jasper nicht

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