Tote essen kein Fast Food
Elektrokontaktpunkt fallen. âMarzipan. Wir haben sie drauÃen vergessen. Sie hat bestimmt schon einen Sonnenstich.â
âAch wasâ, beruhigte Svea sie. âSie kommt aus den Maisfeldern der amerikanischen Südstaaten. Da ist sie Hitze gewöhnt.â Aber Frida war schon auf die StraÃe gelaufen. Als sie wiederkam, trug sie eine groÃe durchsichtige Plastikkiste, die sie mühsam durch die Terrassentür in die Küche bugsierte.
âWas ist das denn?â Ich war hinter Martin und Svea her in die Küche geschlendert.
âMeerschweinchen, siehst du dochâ, sagte Frida ironisch. Und damit packte sie das Terrarium mit der orange-roten Schlange darin mitten auf den Esstisch neben die Kornblumen. âHeiÃt Marzipan.â Ich fixierte erst Marzipan mit einem Blick, der mindestens so bösartig war wie der seine, dannMartin und verlieà schlieÃlich wortlos die Küche. Dabei warf ich so heftig die Tür hinter mir zu, dass Marzipan auf seinem Geröllhaufen vibrierte. âMenno, pass doch aufâ, rief Frida mir hinterher und streichelte den Deckel des Terrariums. âMarzipan ist schwanger.â
Womöglich hätte ich dankbar sein sollen, dass nur unsere beinlose neue Mitbewohnerin schwanger war und nicht auch noch Svea. Aber meine Dankbarkeit hielt sich in Grenzen. Schlangen sind für mich so ziemlich das Ekligste, was es gibt. Schlimmer als Spinnen. Deshalb konnte ich auch die Harry-Potter-Filme im Kino nie angucken. Schlangenmonster im GroÃleinwandformat und ihr gruseliges Zischen in Dolby-Surround. Nein danke. Was fiel Svea-Frida eigentlich ein? Hätten sie nicht auf ihrem eigenen Planeten in Hannover bleiben können, statt eine Invasion auf meinen zu unternehmen? Mit einer amerikanischen Kornnatter der Gattung âPantherophis guttatusâ im Gepäck, wie ich im Hinausstürmen noch mitgekriegt hatte. Und was fiel meinem Vater ein, mir dieses Trio infernale zuzumuten? Ohne Vorwarnung und ohne Veto-Recht!
âVermisst wird seit gestern Abend, 22.00 Uhr, die siebzehnjährige Mia Sander aus Friedrichstadt. Mia Sander ist 1,71 Meter groÃ, hat schwarz gefärbte, kurze Haare und ist bekleidet mit einer olivfarbenen Hose, schwarzem Kapuzenshirt sowie einem roten Tuch. Sie hat eine weiÃe Ratte bei sich, mit der sie zuletzt am Busbahnhof Friedrichstadt gesehen wurde. Mia ist möglicherweise verwirrt und benötigt dringend Medikamente. Sachdienliche Hinweise nimmt jede Polizeidienststelle entgegen sowie die Kriminalpolizei Hamburg, Tel. 040/...â
Als ich vom Oststrand zurückkam, wo ich, wie mir schien, stundenlang im Watt herumgelaufen war und mir den linken Fuà an einer scharfkantigen Austernschale geratscht hatte, saÃen sie beim Kaffee auf den rot lackierten Gartenmöbeln. Zum Glück ohne Marzipan. Aber dafür mit Tante Hedis vorsintflutlichem schwarzen Kofferradio auf einem der Stühle. âCool. Eine weiÃe Ratteâ, nuschelte Frida zwischen zwei Bissen Zimtfranzbrötchen. âSo wie die aussieht, müsste sie doch leicht zu finden sein.â
âKommt drauf anâ, sagte Martin. âWahrscheinlich ist sie längst am Bahnhof Zoo in Berlin oder am Hamburger Hauptbahnhof. Und da sehen viele so aus.â
Was für ein Klischee, dachte ich. Das kennt er doch bloà aus âWir Kinder vom Bahnhof Zoo. Die Geschichte der Christiane F.â. Die Christiane F. hatte ich als Schullektüre in der achten Klasse gehabt und Martin hatte sich bei einem Heimaturlaub mal kurzfristig von seinen Mumienbüchern abgewandt und es gelesen. Weil er wissen wollte, was seine Tochter so im Kopf hat, wie er meinte. Frag mich doch einfach, wenn du wissen willst, was ich im Kopf habe, hatte ich damals gedacht.
âWas für ein Klischeeâ, sagte Svea und ich konnte nicht verhindern, dass sich meine rechte Augenbraue hob. âKann doch auch was ganz anderes sein. Vielleicht hat sie Liebeskummer. Oder Stress mit ihren Eltern. Oder der Dorfpastor hat sich an sie rangemacht und sie kann es niemandem sagen.â
âWas für eine blühende Fantasie du hastâ, sagte Martin und fuhr mit seinem Zeigefinger über ihren kleinen Finger.
âNa ja, man braucht ja nur die Zeitung zu lesen.â
âDie suchen sie aber schon ganz schön lange, diese Miaâ, sagte ich. âDas haben wir doch auf der Fahrt hierher schon dauernd im Radio gehört.â
âDas ist in der
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