Tote liegen nicht am Strand: Roman (German Edition)
auf. Bamm, bumm!«
Viviane ließ ein schreckliches Schweigen nachhallen, bevor sie schloss: » Bravo, ausgezeichnete Ermittlung, Lieutenant Willy Cruyff hat den Schuldigen gefunden, wir können nach Paris heimkehren. Schreiben Sie einen Bericht für den Allmächtigen und vergessen Sie nicht die Pointe: Bamm, bumm!«
Willy machte ein mürrisches Gesicht und blieb stumm.
» Schmollen Sie später, Cruyff. Was noch, außer der Katze?«
» Zwei Tage bevor King aufgehängt wurde, hatte er einen heftigen Streit mit seiner Frau Irène. Das hat sich in ihrer Lodge abgespielt, etwas abseits der Lodges für das Personal. Viele haben gehört, wie sie geschrien hat: ›Nein, es wird nicht so, wie du willst! Du bist hier nicht der König! Du bist nicht der König!‹«
» Weiß man, was der Anlass dafür war?«
» Irène soll King in ihrer gemeinsamen Lodge in Begleitung eines spärlich bekleideten jungen Mädchens überrascht haben, dem er seine Muschelsammlung zeigen wollte. Das Mädchen war noch keine sechzehn.«
» Oho! Und dann?«
» Dann zwei Tage lang finstere Stimmung bei den Kokos und Kikis. King hat ein paar von ihnen ausgehorcht, um in Erfahrung zu bringen, ob es nicht eine ähnliche Geschichte auf Seiten seiner Frau gibt, von wegen quitt sein und so. Aber das ist wohl nicht ihre Art, sie ist verklemmt.«
» Aha, bei einem Mann spricht man von treu, bei einer Frau von verklemmt? Arbeiten Sie an Ihrem Wortschatz, Willy. Was weiter?«
» Der Mord an King, wenn es einer war, ist sicher von einem Koko oder einer Kiki begangen worden. Die Chéris haben tagsüber keinen Zugang zum Amphitheater, wo man den Gehängten gefunden hat: Das Tor ist mit einer Kette und einem dicken Zahlenschloss verschlossen. Man kommt über den Rasen bei der ›zona privada‹ dorthin, wo auch die Lodges des Personals und der Materialraum sind. Man hat King den ganzen Nachmittag im Amphitheater gesehen, und dann ist er verschwunden. Abends hat man ihn tot gefunden.«
» Was heißt verschwunden? Was weiß der Brigadier davon?«
» King hatte Brigadier Vermeulen gebeten, ihn am späten Nachmittag im Amphitheater aufzusuchen. Als er dort ankam, war niemand da. Er hat gewartet, und dann ist Irène mit zwei Kokos gekommen, die auch zu King wollten. Die vier haben jeden Winkel des Amphitheaters nach ihm abgesucht und sind dann wieder gegangen.«
Die Stimme des Lieutenant klang auf einmal anders. Es war noch dunkel, Viviane konnte ihn nicht sehen, aber sie war sich sicher, dass er seinen Oberkörper mächtig aufplusterte.
» Ich denke, das war jetzt das Wichtigste. Übrigens, vielleicht bringt das alles gar nichts. Womöglich war es wirklich Selbstmord.«
Vivianes Handy signalisierte den Empfang einer SMS . Sie las sie mit einem kleinen Lachen. » Na, dann freuen Sie sich mal, Willy. Das alles bringt doch was. Laut Gerichtsmedizin war King schon tot, als man ihn aufhängte. Ein Stoß mit dem Dolch, mitten ins Herz, heißt es. Und jetzt geben Sie mir diesen Bericht.«
Konsterniert überflog sie den Haufen Blätter. Brigadier Vermeulens Prosa war ein Sammelsurium ungeordneter Anmerkungen, loser Tatsachen ohne zeitliche Reihenfolge, unnötiger Wiederholungen, Abschweifungen, unhaltbarer Meinungen, wichtiger Punkte, die in anekdotenhaften Details untergingen. Lieutenant Cruyff war es gelungen, Ordnung und eine gewisse Logik in diesen Wust zu bringen. Er war ein einfacher Geist, aber er hatte einen klaren Verstand.
Sie dachte kurz an die Anfänge von Lieutenant Augustin Monot, an seine Dummheiten, seine Aufregung, seine Verwirrungen, und spürte eine leichte Nostalgie in sich aufsteigen. Monots Schwäche hatte den Vorteil, dass sie in der Kommissarin das Verlangen weckte, stark zu sein. Cruyff war aus anderem Holz geschnitzt. Er strahlte eine beunruhigende Kraft aus. Dieser Typ hatte Vertrauen in sich, in seinen Körper, in seine stabile Psyche, in seinen Charme. Wie sollte sie ihn bändigen? Sie musste Abstand halten. » Ihre Schlussfolgerung ist exzellent, mein kleiner Cruyff. Sie haben einen klaren Verstand und einen sachlichen Blick auf die Dinge. Gute Voraussetzungen, um als Bulle Karriere zu machen.«
» Danke, Commissaire.«
» Für eine Karriere als Drehbuchautor sehe ich allerdings schwarz. Ihnen fehlt der assoziative Geist der Literaten, verstehen Sie, was ich meine?«
Er machte große Augen, nein, er verstand nicht.
Sie setzte zum Stoß an: » Weil Sie kein Literat sind. Monot, der hätte das verstanden. Er hätte einen sehr
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