Tote liegen nicht am Strand: Roman (German Edition)
glaubwürdigen Drehbuchautor abgegeben. Aber Sie, Cruyff– ohne Sie beleidigen zu wollen– Sie sehe ich nicht in dieser Rolle. Ich werde Drehbuchautorin bleiben, Sie…« Viviane zögerte. Sie würde Superman in seine Schranken weisen, ohne ihn zu demütigen. Nicht zu sehr. » Sie werden sagen, dass Sie Sportanimateur sind. Das wird wunderbar zu Ihnen passen. Sportanimateur, so eine Art Sozialarbeiter in den Vorstädten.«
Lieutenant Cruyff war wenig begeistert. » In den Vorstädten? In welchen?«
» Nicht einer dieser affektierten Animateure. Aushilfskraft, Zeitarbeiter, Lückenfüller.«
» Aber eine Drehbuchautorin und ein Aushilfs-Sportanimateur, das gibt ein merkwürdiges Pärchen ab, Commissaire.«
» Beruhigen Sie sich, es wird überhaupt kein Pärchen geben. Nach außen hin werden wir uns gerade erst angefreundet haben: Wir haben gestern den Charterflug verpasst und uns im Flugzeug kennengelernt.«
» Und was ist mit dem Zimmer?«
» Für jeden ein eigenes, wo wir uns doch gerade erst angefreundet haben. Als Drehbuchautorin werde ich meine Nächte doch nicht mit einem Vorstadt-Animateur verbringen.«
Sie fühlte sich böse und gleich schon viel besser. Sie war wieder die Kommissarin geworden. Die Ferien waren zu Ende, die Ermittlungen konnten beginnen.
Die Limousine setzte sie in Orly ab. Viviane ließ den Lieutenant die Koffer tragen, dann besann sie sich und lief zu ihm, um ihm ihren Koffer wieder abzunehmen. Schließlich hatten sie sich ja gerade erst angefreundet.
Kapitel 4
Das Flugzeug hatte soeben abgehoben, und Lieutenant Willy Cruyff schlief. Kommissarin Viviane Lancier beobachtete ihn perplex. Dieser Assistent, der ihr geradewegs vom Himmel in den Schoss gefallen war, verwirrte sie. Die Telefonnachricht des Allmächtigen ging ihr nicht aus dem Sinn: » Lieutenant Cruyff würde sich in dieser Ferienclub-Atmosphäre wohler fühlen als Monot.«
Während sie darauf warteten einzuchecken, hatte sich der Lieutenant innerhalb von fünf Minuten mit ein paar Leuten angefreundet. » Sie vergeuden Ihre Energie«, hatte Viviane ihm zugeflüstert, weil diese Passagiere in ein anderes Dorf auf Rhodos wollten, aber Willy schien einfach Vergnügen daran zu haben. Er war ganz begeistert von dem Baby des jungen Paares, das vor ihnen stand, wirklich begeistert, nicht nur aus Höflichkeit. Er scherzte mit den Rentnern hinter ihnen. Er hatte eine Vierergruppe junger Leute ganz ruhig an ihren Platz verwiesen, als sie versuchten, sich unter dem Vorwand, auf der Suche nach Freunden zu sein, vorzudrängeln. Der Allmächtige hatte ganz richtig gesehen: Im Esprit-Club würde der Lieutenant wahrhaft Clubgeist beweisen können.
Viviane konnte in dem übermäßig konkaven Flugzeugsitz, in den sie eingequetscht war, nicht einschlafen. Willy hatte angekündigt: » Ich schlafe jetzt«, und war innerhalb von dreißig Sekunden weggedöst. Er war so ein Typ, dem alles leichtfiel. Von Zeit zu Zeit rutschte sein Kopf auf Vivianes Schulter und verteilte einen Duft von Vetiver auf ihrer Safari-Jacke. Sie schob ihn jedes Mal entschlossen weg und fragte sich, ob das nicht ein Zeichen war: Wieso wies sie die Männer ab, die ihr ihre Freundschaft anboten, oder auch nur ihre Kameradschaft, ihre Nähe, wie der Allmächtige gesagt hätte. Willy hatte eine dominante Persönlichkeit, ein sonniges Gemüt, er verdiente es nicht, derart angefahren zu werden. Viviane fühlte sich schuldig: Nur Kommissarin zu sein, genügte ihr nicht, sie hatte immer auch das Bedürfnis, die Kommissarin spielen zu müssen. Nein, nicht immer. Mit Monot war es anders.
Sie schloss die Augen und stellte sich den guten Engel vor, wie er in dieser Stunde, in Frankreich, aufwachen musste. So döste sie bis zur Ankunft vor sich hin und träumte, dass er neben ihr schlief und seine blonde Mähne auf ihrer olivgrünen Schulter ausbreitete.
Am Flughafen von Rhodos wurden sie von einer jungen Frau empfangen, klein, brünett, mit feinen Gesichtszügen, die ein Schild hochhielt: » Drehbuchautoren. Esprit-Club.« Ihre gebräunte Haut brachte die riesigen Kreolen, die an ihren Ohren hingen, gut zur Geltung. Sie lächelte, aber in diesem Lächeln lag erschöpfte Müdigkeit. » Ich bin Irène, die Chefin des Clubdorfs, aber hier nennen mich alle Königin.«
Sie gingen zum Auto. Auf Rhodos war es erst 11 Uhr am Vormittag, aber es war bereits warm und würde schon bald stickig werden. Viviane befürchtete, in ihrer Safari-Jacke zu schwitzen, traute sich aber nicht, sie
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