Tote liegen nicht am Strand: Roman (German Edition)
für die jeweils aktuelle Freundin des anderen interessierte. Mein Mann war der Casanova vom Basar, er besprang alles, was sich ihm anbot. Und hier ist das Angebot groß. Sein einziger echter Freund war Animateur-Koko, seine rechte Hand, der Schatten Seiner Majestät. Ein netter, aber unbeständiger Typ. Er ist ganz gierig nach allem, was nach Macht aussieht. Nach Kings Tod hat die Geschäftsführung des Esprit-Clubs uns angeboten, die Verwaltung des Dorfes zu zweit zu übernehmen, ihm und mir. Ich sollte mich um alles im Bereich Verwaltung und Buchhaltung kümmern, er um den Betriebsalltag. Er ist der Einzige, der alles kann, dadurch, dass er immer hinter King hergelaufen ist. Sie hätten sehen sollen, wie der sich aufgeblasen hat, als er das angenommen hat! Koko wird Ko-Chef! Fast schon König! Er hat gesabbert vor Erregung.«
Viviane überließ sie ihrer Wut. Der Lieutenant war da weniger taktvoll. » Wie haben sie sich kennengelernt, King und Sie?« Er hatte nicht einmal angefügt, » wenn ich fragen darf«, er schoss geradewegs aufs Ziel zu, aber Königin schien das nicht zu stören.
» Das war vor fünf Jahren, ich hatte gerade mein Diplom von der Management-Schule erhalten, mein Freund hatte mich sitzen lassen, ich fand keinen Job, vielleicht wegen meiner libanesischen Wurzeln. Ich wollte hier nur drei Wochen verbringen, um auf andere Gedanken zu kommen. Da ich die ganze Zeit am Pool lag, flirtete ich mit dem Platsch-Koko von damals, einem sehr süßen kleinen Blonden. Und um zu zeigen, wer hier der Boss ist, fing King plötzlich an, mir den Hof zu machen, trotz seiner hundertzwanzig Kilo und seiner vierzig Jahre auf dem Buckel. Koko-Platsch hat gleich die Segel gestrichen, und King hat wirklich alle Register gezogen: Er hat keine Ruhe gegeben, jeden Morgen lagen Blumen vor meinem Zimmer, und er überhäufte mich mit Liebeserklärungen. Er wollte sein Ziel so unbedingt erreichen, dass er sich bereit erklärt hat, die Verantwortliche für Verwaltung und Buchhaltung zu entlassen, um mir ihren Job zu geben. Er hat mir eine Karriere im Esprit-Club in den leuchtendsten Farben ausgemalt und mir schlussendlich sogar einen Heiratsantrag gemacht, den ich angenommen habe. Es war das erste Mal, dass ich mich wichtig gefühlt habe, ich wurde Königin, verstehen Sie?«
Ja, Viviane konnte nachvollziehen, dass eine Frau, die ihre Einsamkeit satthatte, zu allem bereit war, manchmal sogar zu jedem, wenn sie nur freundlich genug gebeten wurde. Sie hatte das selbst erlebt.
Sie sah die Landschaften an sich vorbeiziehen, die Hotels, die so gerne ein wenig Hollywood-Flair verströmt hätten, die verlassenen Baustellen, die kargen Berge, und sie sagte sich, dass ihr Privatleben nicht anders war: trügerischer Schein, Niederlagen und Gefühlsarmut. Wie bei Königin. Die Frau war ihr sympathisch.
» Und dann verschlechterte sich ihre Beziehung?« Willy hatte das mit seiner schönen, warmen Stimme gefragt– als würde er sein Timbre dafür trainieren, vertrauenswürdig zu klingen.
» Ja, er hat begonnen, Affären zu haben, und nicht mal heimlich. Ich habe es nicht mehr ertragen, stundenlang in unserem Zimmer auf ihn zu warten, um dann zu sehen, wie er in der Morgendämmerung heimkam, nach einem anderen Bett und einer anderen Frau roch– es war zum Kotzen. An diesen Abenden bin ich geflüchtet, habe Stunden am Strand verbracht, aufs Meer geschaut; wenn ich dann nach Hause ging, war ich weniger wütend. Morgens musste ich lächeln, um den Schein zu wahren. Aber vielleicht haben Sie auch schon von der letzten Geschichte mit dem jungen Ding und den Muscheln gehört, in unserer Lodge, mitten am Tag, das war zu viel. Wir haben uns gestritten. Erst habe ich gedacht, er hätte sich deswegen umgebracht… pfff, als ob er so etwas wie Gewissensbisse gekannt hätte!«
Viviane war ratlos, wie sie die schmerzliche Unterhaltung wieder ankurbeln konnte. Der Bericht von Königin weckte in ihr beschämende Erinnerungen. » Sie haben keine Kinder?«
» Ich hätte gewollt, aber King konnte keine haben, laut Untersuchungen. Und eine künstliche Befruchtung wollte ich nicht.«
Viviane versuchte sich das Leben dieser Frau vorzustellen, alleine inmitten einer Horde von Feriengästen. Wenig überzeugt fragte sie: » Haben Sie denn… irgendwelche Freundinnen hier?« Dieses Wort schien ihr absurd: Diese Frau strahlte zu viel Würde aus, als dass sie Freundinnen haben könnte.
» Man hat Mitleid mit mir und man misstraut mir. Ich wurde belogen und
Weitere Kostenlose Bücher