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Tote lügen nicht: 1. Fall mit Tempe Brennan

Tote lügen nicht: 1. Fall mit Tempe Brennan

Titel: Tote lügen nicht: 1. Fall mit Tempe Brennan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Reichs
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Opfern zu nähern. Möglicherweise gibt er sich als Interessent für Immobilien aus. Möglicherweise ist er verheiratet…«
    » Pourquoi ?« Die Frage kam von Detective Rousseau aus St. Lambert.
    »Wegen des Unterschlupfs. Er kann seine Opfer schlecht mit nach Hause nehmen und seiner Frau vorstellen.«
    »Oder seiner Mama.« Claudel.
    Ryan las weiter.
    »Möglicherweise tötet er seine Opfer an einem bestimmten, abgelegenen Ort.«
    »In einem Keller?« Ketterling aus St. Lambert.
    »Kaum. Gilbert hat den Keller mit Luminol ausgesprüht. Wenn da Blut gewesen wäre, hätte er geleuchtet wie ein Weihnachtsbaum.« Charbonneau.
    Zurück zum Bericht. »Die übermäßige Gewaltanwendung und die Grausamkeiten legen eine extreme Wut des Täters nahe. Möglicherweise spielen Rachegelüste oder sadistische Phantasien eine Rolle, die sich um Beherrschung, Erniedrigung und das Zufügen von Schmerzen drehen. Eventuell mit religiösem Hintergrund.«
    » Pourquoi, ça ?« Rousseau.
    »Wegen der Statue und den Orten, an denen die Leichen beseitigt wurden. Gagnon wurde auf dem Gelände des ehemaligen Priesterseminars, Damas in einem aufgelassenen Kloster gefunden.«
    Eine Zeitlang sagte niemand ein Wort, nur die Uhr an der Wand summte leise. Draußen auf dem Korridor ging jemand auf Stöckelschuhen an unserer Tür vorbei. Claudels Kugelschreiber zeichnete kurze, eng beieinanderliegende Striche auf seinen Block.
    » Beaucoup de › possibles ‹ et › probables ‹ .« Claudel.
    Daß Claudel immer noch gegen die Serienmörder-Theorie polemisierte, machte mich wütend.
    »Aber es ist ebenso möglich und wahrscheinlich, daß wir es bald mit einem weiteren Mord zu tun haben«, fauchte ich.
    Claudels Gesicht verwandelte sich in die übliche Maske und wandte sich seinem Notizbuch zu. Er hatte einen angespannten Zug um den Mund, sagte aber nichts mehr.
    Du kannst mich mal.
    »Hat Dr. Dobzhansky eine Langzeitprognose gestellt?« fragte ich, schon ein wenig ruhiger.
    »Nein. Aber eine Kurzzeitprognose«, antwortete Ryan finster. »Es gibt Anzeichen, daß unser Mann immer mehr die Kontrolle über sich verliert. Er wird in immer kürzer werdenden Abständen immer wagemutiger.« Dann klappte er den Aktendeckel zu und legte ihn in die Mitte des Tisches. »Und er wird wieder töten.«
    Schweigen.
    Schließlich sah Ryan auf die Uhr. Wir folgten seinem Beispiel wie Roboter an einem Fließband.
    »Dann lassen Sie uns mal an die Akten gehen. Hängen Sie alles an die Bretter, was nicht schon dranhängt. Der Gautier-Fall gehörte in die Zuständigkeit der CUM, also vielleicht kümmern Sie sich zuerst einmal darum, Luc und Michel.«
    Charbonneau und Claudel nickten.
    »Den Mord an Constance Pitre hat die SQ untersucht, deshalb werde ich ihn mir noch einmal vornehmen. Die anderen Fälle sind alle jüngeren Datums und dürften ziemlich vollständig sein.«
    Da ich mich mit den fünf mir bekannten Morden schon ausgiebig beschäftigt hatte, machte ich mich an die beiden Fälle, die mir unbekannt waren. Die Opfer hießen Constance Pitre und Marie-Claude Gautier und waren 1988 beziehungsweise 1989 tot gefunden worden.
    Constance Pitres halbnackte und stark verweste Leiche hatte in einem verlassenen Haus in Khanawake gelegen, einem Indianerreservat flußaufwärts von Montreal. Marie-Claude Gautier fand man hinter der Vendome-Metrostation, einem Umsteigebahnhof zu den westlichen Vororten. Beide Frauen hatte man brutal zusammengeschlagen und die Kehle aufgeschlitzt. Gautier war 28, Pitre 32 Jahre alt geworden. Keine von beiden war verheiratet gewesen, und beide hatten allein gelebt. Man hatte die üblichen Verdächtigen befragt und die üblichen Spuren verfolgt. Danach waren beide Fälle im Sand verlaufen.
    Ich brauchte drei Stunden, um die Akten durchzugehen, die ziemlich dünn waren im Vergleich zu denen, die ich die vergangenen sechs Wochen über studiert hatte. Hatte man deshalb so dürftig recherchiert, weil die beiden Frauen Prostituierte waren? Ausgebeutet im Leben, mißachtet im Tod? Ich erlaubte mir nicht, weiter darüber nachzudenken.
    Ich sah mir die Bilder an, auf denen die beiden Frauen noch am Leben waren. Obwohl sie unterschiedliche Gesichter hatten, ähnelten sie sich doch auf eine beunruhigende Art und Weise. Beide waren teigig bleich und übertrieben geschminkt und hatten harte, kalte Augen. Ihr Anblick rief in mir Erinnerungen an die Nacht in der Main wach, als ich die Prostituierten bei ihrer Arbeit beobachtet hatte. Dort hatte ich die

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