Tote lügen nicht: 1. Fall mit Tempe Brennan
während die Kellnerin die Pizza brachte, zerteilte und uns auf die Teller legte. Ryan bestellte sich noch ein Belle Bueule, was ich neidisch zur Kenntnis nahm. Ist deine eigene Schuld, Brennan, daß du nicht trinken darfst.
»Wehe, Sie nehmen etwas von meiner Hälfte.«
»Ich mag doch diesen Käse sowieso nicht.« Ryan trank sein Bier aus. »Wissen Sie eigentlich, was eine Ziege so alles in sich hineinfrißt?«
Ich konnte es mir vorstellen, ging aber nicht näher darauf ein.
»Was meinten Sie vorhin mit ›nicht ganz‹?«
»Zuerst wollte Patineau nur Fälle aus Montreal und Umgebung haben, aber als dann das FBI das Täterprofil schickte, hat er es zusammen mit dem, was wir hatten, an die Royal Canadian Mounted Police geschickt, um zu sehen, ob die Mounties ähnliche Fälle in ihren Akten haben.«
»Und? Haben sie welche?«
»Negativ. Sieht ganz so aus, als bliebe unser Bursche seinem angestammten Viertel treu.«
Eine Weile aßen wir schweigend unsere Pizza.
Schließlich fragte Ryan: »Was ist Ihr Eindruck von den beiden neuen Fällen?«
»Ich habe mich erst drei Stunden damit befaßt, aber irgendwie scheinen sie mir nicht zu den anderen zu passen.«
»Weil es Nutten sind?«
»Das auch. Aber da ist noch was. Die Morde waren ohne Zweifel brutal, aber sie sind mir irgendwie zu…«
Ich hatte schon den ganzen Nachmittag über nach dem richtigen Wort gesucht, hatte aber kein wirklich passendes gefunden. Ich nahm mir noch ein Stück Pizza und sah zu, wie Tomaten- und Artischockenstücke auf dem durchweichten Teig verrutschten.
»… zu schlampig.«
»Zu schlampig?«
»Genau.«
»Du meine Güte, Brennan, was meinen Sie damit? Haben Sie die Adkins-Wohnung gesehen? Oder die Küche von Morisette-Champoux? Das sah doch aus wie die Schlacht von Wounded Tree.«
»Knee.«
»Was?«
»Knee. Es war die Schlacht von Wounded Knee.«
»Wo die vielen Indianer getötet wurden?«
Ich nickte.
»Mit ›schlampig‹ meine ich nicht das Blut. Die Tatorte dieser neuen Fälle sind irgendwie…« Wieder rang ich um das richtige Wort. »Unorganisiert. Als würde kein Plan dahinterstecken. Bei den anderen Verbrechen hatte ich immer das Gefühl, als ob der Bursche genau gewußt hätte, was er tat. Er kam in die Wohnung der Opfer und hatte eine Waffe dabei, die er auch wieder mitnahm. Wir haben an keinem der Tatorte eine Waffe gefunden, stimmt’s?«
Ryan nickte.
»Aber am Gautier-Tatort lag ein Messer.«
»Aber ohne Fingerabdrücke. Was wiederum auf ein geplantes Verbrechen schließen läßt.«
»Der Mord geschah im Winter. Der Täter hat vermutlich Handschuhe getragen.«
Ich schwenkte meine Cola im Glas herum.
»Die Leichen sahen aus, als hätte sich der Täter rasch aus dem Staub gemacht und sie einfach liegengelassen. Gautier lag mit dem Gesicht nach unten und Pitre auf der Seite. Ihre Kleider waren zerrissen, und ihre Strumpfhose war bis zu den Knöcheln heruntergestreift. Wenn Sie sich dagegen noch einmal die Morisette-Champoux und Adkins-Photos ansehen, werden Sie bemerken, daß die Leichen richtiggehend hindrapiert wurden. Sie lagen beide auf dem Rücken, die Beine abgespreizt und die Arme in seltsame Stellungen gebracht. Morisette-Champoux sah aus wie eine Puppe, und Adkins erinnerte mich sogar an eine Ballerina, die gerade eine Pirouette dreht. Außerdem waren bei beiden Frauen die Kleider nicht zerrissen, sondern sauber aufgeschnitten. Als wollte der Mörder zur Schau stellen, was er mit ihnen gemacht hat.«
Ryan sagte nichts. Die Kellnerin kam und fragte, ob uns die Pizza geschmeckt habe und ob sie uns noch etwas anderes bringen dürfe. Nein danke. Nur die Rechnung.
»Bei den beiden neuen Fällen habe ich ein ganz anderes Gefühl. Aber ich kann mich natürlich täuschen.«
»Das werden wir schon noch herausfinden. Dazu haben wir ja schließlich die Kommission gebildet.«
Ryan nahm die Rechnung und weigerte sich, sie mit mir zu teilen. »Diesmal zahle ich. Das nächste Mal sind dann Sie dran.«
Ich wollte protestieren, aber er legte einen Zeigefinger auf meine Lippen und brachte mich so zum Schweigen. Langsam fuhr er mir dann an einem Mundwinkel entlang und zeigte mir die Fingerkuppe.
»Ziegenkäse«, sagte er.
Mein Gesicht brannte, als hätten mich Feuerameisen gebissen.
Zu Hause begrüßten mich weder Birdie noch Gabby. Langsam machte ich mir Sorgen. Ich hoffte, daß sie bald wieder auftauchen würde, und sei es nur, damit ich ihr sagen konnte, sie solle ihre Sachen packen.
Ich legte mich auf die
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