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Tote lügen nicht: 1. Fall mit Tempe Brennan

Tote lügen nicht: 1. Fall mit Tempe Brennan

Titel: Tote lügen nicht: 1. Fall mit Tempe Brennan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Reichs
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Ausflug in die Welt von König Artus und der Tafelrunde half mir, die Kontrolle wiederzufinden. Ohne einen weiteren Fehler zu machen, tippte ich den Code ein und verließ die Wohnung.
    Ich holte das Auto aus der Garage, umrundete den Block und fuhr die Rue St. Catherine nach Osten bis zur Rue de la Montagne. Von dort aus ging meine Fahrt nach Süden zur Victoria Bridge, einer von drei Brücken, die die Insel von Montreal im Süden mit dem Ufer des St. Lawrence-Stroms verbinden. Die Wolken, die sich am Nachmittag vereinzelt gebildet hatten, standen jetzt dunkel und drohend am Horizont und verliehen dem Fluß eine feindselige, dunkelgraue Farbe.
    Flußaufwärts sah ich unter dem Bogen der Jacques Cartier-Brücke die beiden kleinen Inseln Île Notre-Dame und Île Sainte-Hélène, auf denen während der Weltausstellung von 1967 munteres Treiben geherrscht hatte. Obwohl es auch jetzt noch einen Vergnügungspark, einen Jachthafen und eine Autorennbahn auf den Inseln gab, sahen sie von der Victoria Bridge her aus wie die vergessenen Stätten einer längst vergangenen Zivilisation, die unter dem drückend grauen Himmel düster vor sich hinbrüteten. Flußabwärts lag die Île des Soeurs, die Insel der Nonnen, die über die Champlain-Brücke mit dem Festland verbunden ist. Heute ist die Insel, die früher einmal der Kirche gehört hatte, ein Yuppie-Ghetto, eine kleine Akropolis aus Eigentumswohnungen, Golf- und Tennisplätzen und Swimmingpools. Die Lichter ihrer hoch aufragenden Wohntürme funkelten mit dem Wetterleuchten des nahenden Gewitters um die Wette.
    Als ich auf dem anderen Flußufer war, bog ich in den Sir Wilfred Laurier-Boulevard ab. Der Nachthimmel hatte inzwischen eine unheimliche, grünliche Farbe angenommen. Ich hielt an, um einen Blick auf den Stadtplan zu werfen. Nachdem ich mich anhand der kleinen, grünen Flecken, die einen Park und den Golfplatz von St. Lambert darstellten, orientiert hatte, legte ich den Plan wieder auf den Beifahrersitz. Als ich den Wagen wieder startete, tauchte ein Blitz die Nacht in sein bläuliches Licht. Der Wind wurde auf einmal stärker und blies erste Regentropfen gegen die Windschutzscheibe.
    Langsam fuhr ich durch die gespenstische Dunkelheit kurz vor dem Sturm und hielt fast an jeder Kreuzung an, um die Straßenschilder zu entziffern. Dabei folgte ich der Route, die ich mir zu Hause zurechtgelegt hatte. Ich bog nach links, nach rechts und wieder nach links ab.
    Zehn Minuten später stellte ich den Wagen am Randstein ab und schaltete den Motor aus. Mein Herz klang wie ein Tischtennisball mitten im Spiel. Ich wischte mir die feuchten Hände an der Jeans ab und sah mich um.
    Der Himmel war jetzt fast schwarz. War ich vorher noch durch Wohngegenden mit kleinen Bungalows und von Bäumen gesäumten Straßen gefahren, so stand ich jetzt am Rand eines verlassenen Industrieparks, der auf der Karte als kleiner, grauer Bogen eingezeichnet war. Weit und breit war kein Mensch zu sehen.
    Auf der rechten Seite der Straße stand eine Reihe von nicht mehr genutzten Lagerhäusern, deren schwärzliche Umrisse von der einzigen Laterne beleuchtet wurden, die in der Straße noch funktionierte. Das Gebäude direkt hinter der Laterne war so hell wie eine Filmkulisse im Scheinwerferlicht, während die Lagerhäuser daneben im Halbdunkel nur noch schemenhaft auszumachen waren. Je weiter entfernt sie von der Lichtquelle waren, desto mehr verschwanden sie in der Dunkelheit.
    An manchen der Gebäude sah ich Schilder von Immobilienfirmen, die sie zum Verkauf oder zur Vermietung anboten. Die Lagerhäuser, an denen keine Schilder hingen, sahen so aus, als hätten ihre Besitzer bereits aufgegeben. Bei den meisten von ihnen fehlten die Fensterscheiben, und der aufgesprungene Beton der Parkplätze davor war mit Unrat übersät. Irgendwie erinnerte mich die Szenerie an alte Schwarzweiß-Photos, die London nach dem deutschen Bombardement im Zweiten Weltkrieg zeigten.
    Der Blick auf die andere Straßenseite war allerdings auch nicht anheimelnder. Dort war nichts. Die totale Finsternis. Diese Leere wurde auf dem Stadtplan durch eine grüne Fläche dargestellt, und genau in diese Fläche hatte St. Jacques sein drittes X gemalt. Ich hatte eigentlich gedacht, daß ich hier einen Friedhof oder einen kleinen Park finden würde.
    Verdammt.
    Ich legte die Hände aufs Lenkrad und starrte hinaus in die Dunkelheit.
    Was jetzt?
    Mir wurde klar, daß ich diesen Ausflug nicht gut vorbereitet hatte.
    Ein Blitz zuckte vom Himmel

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