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Tote lügen nicht: 1. Fall mit Tempe Brennan

Tote lügen nicht: 1. Fall mit Tempe Brennan

Titel: Tote lügen nicht: 1. Fall mit Tempe Brennan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Reichs
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fünfzig Metern kam ein Tor aus rostigen Eisenstangen, das ebenso wie der Seiteneingang zu dem Grundstück mit Kette und Vorhängeschloß gesichert war. Als ich die Kette und das Schloß anleuchtete, sah ich, daß sie metallisch glänzten und noch ziemlich neu waren.
    Ich steckte die Taschenlampe in meinen Hosenbund und riß an der Kette, die aber meinen Bemühungen problemlos standhielt. Als ein erneuter Versuch auch kein anderes Ergebnis zeitigte, nahm ich die Taschenlampe wieder zur Hand und leuchtete damit langsam die Eisenstangen des Tores ab.
    In diesem Augenblick berührte mich etwas am Knöchel. Vor Schreck griff ich nach unten und ließ dabei die Taschenlampe fallen. Ich dachte sofort an gelbe Zähne und rote Augen, aber es war keine Ratte, nur eine Plastiktüte, die mir der Wind an die Füße geweht hatte.
    »Mist«, sagte ich. Mein Mund war trocken und meine Hände zitterten heftiger denn je, als ich das feuchte Plastik von meinem Bein zog. »Forensische Anthropologin wird Opfer einer Einkaufstüte.«
    Ich ließ die Tüte fallen, und der Wind riß sie mit sich fort. Während sie knisternd davonflog, tastete ich den Boden nach meiner Taschenlampe ab, die beim Aufprall ausgegangen war. Als ich sie endlich gefunden hatte, ließ sie sich zuerst nicht mehr einschalten. Erst nachdem ich sie mehrmals gegen meinen Handballen geschlagen hatte, flammte die Birne kurz auf, um gleich darauf wieder zu verlöschen. Als ich noch einmal fester zuschlug, blieb das Licht an, aber es flackerte und machte keinen sehr zuverlässigen Eindruck. Lange würde ich mich wohl nicht mehr darauf verlassen können.
    Eine Weile stand ich unschlüssig in der Dunkelheit und überlegte mir, was ich als nächstes tun sollte. Wollte ich wirklich hier weitersuchen? Was versprach ich mir eigentlich davon? Ein heißes Bad und mein angenehm warmes Bett kamen mir auf einmal sehr viel verlockender vor.
    Ich schloß die Augen und konzentrierte mich auf die Geräusche ringsum. Dabei versuchte ich, aus dem Sturm jede Art von menschlich erzeugten Lauten herauszufiltern. Später habe ich mir diese Szene wieder und wieder in Erinnerung gerufen und mich gefragt, ob ich damals nicht doch etwas überhört hatte. Das Knirschen von Kies zum Beispiel. Das Quietschen einer rostigen Torangel. Das Brummen eines Automotors. Vielleicht war ich nicht aufmerksam genug, vielleicht überdeckte aber auch das nahende Gewitter jedes andere Geräusch. Auf jeden Fall bemerkte ich nichts.
    Ich holte tief Luft und spähte in die Dunkelheit hinter der Mauer. Ich erinnerte mich daran, wie ich in Ägypten einmal in einer Grabkammer im Tal der Könige gewesen war. Urplötzlich war damals das Licht ausgegangen, und ich war nicht nur von gewöhnlicher Dunkelheit, sondern von der totalen Abwesenheit jeglichen Lichts umgeben gewesen. Es war ein Gefühl, als hätte jemand die Welt einfach ausgeblasen. Jetzt, als ich angestrengt versuchte, in der schwarzen Leere hinter dem Tor irgend etwas zu entdecken, hatte ich wieder dieses Gefühl. Ich fragte mich, wo wohl die schwärzeren Geheimnisse verborgen lagen. Im Inneren eines Pharaonengrabs oder in der Dunkelheit jenseits dieser Mauer?
    Das X hat etwas zu bedeuten. Es ist da drinnen. Geh hinein.
    Ich ging wieder zurück um die Ecke und den Zaun entlang bis zum Seiteneingang. Wie konnte ich das Schloß öffnen? Ich leuchtete das Tor mit der Taschenlampe ab, als auf einmal ein Blitz die Szene für Bruchteile von Sekunden in grelles Licht tauchte. Die Luft roch nach Ozon, und ich spürte ein Kribbeln an Kopfhaut und Händen. Während des Blitzes war mir ein Schild aufgefallen, das rechts von dem Tor am Zaun hing.
    Im Licht der Taschenlampe stellte sich heraus, daß es eine kleine, an einem Eisenpfosten des Zaunes festgenietete Metallplatte war. Entrée interdite. Betreten verboten. Das Schild war rostig und nicht mehr gut lesbar, aber an diesen Worten war nichts zu deuteln. Ich trat noch näher heran, um auch das Kleingedruckte darunter entziffern zu können. Es war Irgendwas de Montréal. Das erste Wort sah aus wie Erzherzog. Der Erzherzog von Montreal? Ich hatte nicht einmal gewußt, daß es einen gab.
    Unter den Worten entdeckte ich einen kleinen Kreis, und als ich mit dem Daumennagel den Rost abgekratzt hatte, erschien dort ein Wappen, das mir irgendwie bekannt vorkam. Dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Das erste Wort bedeutete Erzdiözese. Die Erzdiözese von Montreal. Natürlich. Das Grundstück gehörte der Kirche. Darauf

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