Tote lügen nicht: 1. Fall mit Tempe Brennan
Nummer an der Universität und hörte, wie nach viermal Klingeln der Anruf an eine andere Stelle durchgeschaltet wurde. Ich wollte gerade auflegen, als doch noch jemand ranging. Ich war im Sekretariat von Gabbys Fakultät gelandet, wo man allerdings auch nicht wußte, wo sie war. Sie habe seit Tagen ihre Post nicht abgeholt, hieß es, aber das sei im Sommer nichts Ungewöhnliches. Ich dankte der Sekretärin und legte auf.
»Aller schlechten Dinge sind drei«, dachte ich. Keine Lucie, kein Aaron, keine Gabby. Mein Gott, Gabby, wo steckst du bloß? Am besten grübelte ich nicht weiter darüber nach.
Ich nahm einen Kugelschreiber und trommelte damit auf meiner Schreibunterlage herum.
Was sollte ich tun, um Claudel zu überzeugen, daß wir es mit einem Serienmörder zu tun hatten?
Ich warf den Kugelschreiber in die Luft und fing ihn wieder auf.
Wo konnte ich nur weitere Beweise ausgraben, die auch für ihn stichhaltig waren?
Ich schwang den Kugelschreiber wie einen Taktstock und überlegte. Ausgraben. Dann hielt ich plötzlich inne und starrte lange auf den Stift. Ausgraben. Das war’s.
»Okay«, sagte ich und schob meinen Stuhl zurück. »Versuchen wir’s.«
Ich nahm meine Handtasche und schaltete das Licht aus.
»Dir werd’ ich’s zeigen, Claudel!«
14
Auf der Heimfahrt dachte ich weiter über mein Vorhaben nach und holte mir bei einem griechischen Lokal eine Portion Souflaki.
Zu Hause angekommen, ignorierte ich Birdies vorwurfsvolle Begrüßung und holte mir eine Cola Light aus dem Kühlschrank. Ich stellte die Dose auf den Tisch neben die fettige Tüte mit meinem Abendessen und warf einen Blick auf den Anrufbeantworter. Die rote Leuchtdiode starrte ohne ein Blinken zurück. Gabby hatte also nicht angerufen. Eine stärker werdende Unruhe ergriff mich, und mein Herz schlug prestissimo wie das eines Dirigenten, der völlig in seiner Musik aufgeht.
Ich ging ins Schlafzimmer und wühlte in den Schubladen des Nachttisches herum. Der Stadtplan steckte ganz hinten in der dritten Schublade. Ich nahm ihn mit ins Eßzimmer und breitete ihn auf dem Tisch aus. Dann öffnete ich die Coladose und die Tüte mit meinem Essen, aber beim Anblick von fettigem Reis und verkochtem Rindfleisch zog sich mein Appetit zurück wie eine Schnecke in ihr Haus. Schließlich brach ich mir ein Stück Pita-Brot ab und kaute lustlos darauf herum.
Inzwischen kannte ich den Stadtplan so gut, daß ich sofort meine Straße fand. Von dort aus suchte ich mir einen Weg über den Fluß nach St. Lambert. Als ich den gefunden hatte, faltete ich den Plan so zusammen, daß nur noch die Orte St. Lambert und Longueuil zu sehen waren. Während ich sie betrachtete, nahm ich einen Bissen von dem Souflaki, aber mein Magen protestierte. Er wollte es partout nicht haben.
Birdie strich mir um die Beine. »Hier, für dich«, sagte ich und stellte ihm die Aluschale mit dem Essen auf den Boden. »Wohl bekomm’s.« Der Kater sah mich erstaunt an, zögerte einen Augenblick und näherte sich dann schnurrend der Schale.
Aus dem Schrank in der Diele nahm ich eine Taschenlampe, ein Paar Gartenhandschuhe und eine Dose Mückenspray. Nachdem ich die Dinge zusammen mit dem Stadtplan, einem Notizblock und einem Klemmbrett in meinen Rucksack gepackt hatte, zog ich ein T-Shirt, Jeans und Turnschuhe an und band mir die Haare zu einem Pferdeschwanz. Als ich den Rucksack schon zugemacht hatte, holte ich noch ein langärmeliges Jeanshemd und stopfte es zu den anderen Sachen. Dann nahm ich den Block neben dem Telefon zur Hand und schrieb darauf: »Bin nach St. Lambert gefahren, um das dritte X zu suchen.« Ich schaute auf die Uhr. Es war viertel vor acht. Diese Zeit schrieb ich, zusammen mit dem Datum, unter die Notiz und legte den Block auf den Eßtisch. Diese Vorsichtsmaßnahme war vielleicht überflüssig, aber falls ich wirklich in Schwierigkeiten geraten sollte, hatte ich wenigstens einen Hinweis auf meinen Verbleib hinterlassen.
Ich hängte mir den Rucksack über die Schulter und gab der Alarmanlage den Code ein, mit dem man sie scharf stellte. In meiner Aufregung brachte ich die Zahlen durcheinander und mußte noch einmal von vorne anfangen. Als ich dann den Code auch das zweite Mal falsch eintippte, hielt ich inne und sang laut ein paar Takte von »I Wonder What the King is Doing Tonight« aus dem Musical Camelot. Sich mit etwas Trivialem abzulenken war ein alter Trick, den ich schon in meiner Schulzeit gelernt hatte und der meistens funktionierte. Der kurze
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