Tote Maedchen luegen nicht
Taschentücher nur für dich allein - und unbenutzt!«
Sie lacht. Er hat sie zum Lachen gebracht!
»Danke.«
»Lass uns über die Schule reden, Hannah. Damit ich eine Vorstellung bekomme, wie sich alles so weit entwickeln konnte.«
»Okay.«
Ich klettere bis zur oberen Plattform hinauf.
»Was ist das Erste, das dir einfällt, wenn du an die Schule denkst?«
»Dann denke ich an den Stoff.«
»So? Das ist ja... äh... schön zu hören.«
»War nur ein Scherz.«
Jetzt lacht Mr Porter.
»Natürlich bin ich hier, um den Stoff zu lernen, aber damit verbinde ich die Schule nicht.«
»Womit verbindest du sie dann?«
»Für mich ist die Schule vor allem ein Ort, an dem sich jede Menge Leute aufhalten, mit denen ich zwangsläufig meine Zeit verbringe.«
»Und das fällt dir schwer?«
»Manchmal.«
»Mit manchen Leuten oder mit den Leuten im Allgemeinen?«
»Mit manchen Leuten. Aber auch... allgemein.«
»Könntest du dich ein bisschen genauer ausdrücken?«
Ich lehne mich gegen das eiserne Lenkrad. Über den Baumkronen leuchtet der Halbmond so hell, dass man fast geblendet wird.
»Es ist so schwer, weil ich nie weiß, was... oder wer... der Nächste sein wird.«
»Wie meinst du das?«
»Ich meine nicht ein Komplott oder so was. Aber es kommt mir so vor, als sei ich nie vor ihnen sicher, als wüsste ich nie, was als Nächstes passiert. Ich weiß, das hört sich komisch an.«
»Dann versuche, es zu erklären.«
»Das ist schwer zu erklären, wenn Sie die Gerüchte nicht kennen, die über mich im Umlauf sind.«
»Die kenne ich wirklich nicht. Ein Lehrer, noch dazu ein Vertrauenslehrer, sollte sich von diesem Klatsch und Tratsch fernhalten. Was natürlich nicht heißt, dass es so was unter Lehrern nicht auch gibt.«
»Auch über Sie?«
Er lacht.
»Schon möglich. Hast du da was gehört?«
»Nein, nein, ich mache nur Spaß.«
»Sag mir bitte, wenn dir was zu Ohren kommt.«
»Versprochen!«
Machen Sie keine Witze. Helfen Sie ihr!
»Wann war das letzte Mal, dass so ein Gerücht in Umlauf gesetzt wurde?«
»Das ist ja das Problem. Es sind nicht alles... Gerüchte.«
»Verstehe.«
»Nein, hören Sie zu...«
Bitte hören Sie ihr zu!
»Vor ein paar Jahren stand ich auf so einer Liste. Sie wissen doch, dass es unter Schülern Umfragen gibt... ich meine keine offiziellen Umfragen, aber so Listen, auf denen positive und negative Eigenschaften aufgeführt werden...«
Er antwortet nicht. Kann er sich daran erinnern? Weiß er, wovon sie spricht?
»Und seitdem hat es immer wieder Anspielungen und Reaktionen darauf gegeben.«
»Wann ist das zum letzten Mal geschehen?«
Ich höre, wie sie ein Taschentuch aus der Packung zieht.
»Neulich, auf einer Party. Das war eine der schlimmsten Nächte meines Lebens!«
»Wegen eines Gerüchts?«
»Ja, zum Teil, aber es war viel mehr als das.«
»Darf ich dich fragen, was auf der Party passiert ist?«
»Es war nicht wirklich auf der Party. Es war danach.«
»Okay, Hannah, lass uns ein Spiel spielen.«
»Was?«
»Ein Fragespiel. Ich stelle die Fragen, und du versuchst, mit Ja oder mit Nein zu antworten. Manche Leute haben Schwierigkeiten, sich ganz zu öffnen, selbst einem Vertrauenslehrer gegenüber, der über alles Stillschweigen bewahrt. Wollen wir anfangen?«
»Ja.«
»Bei der Party, die du erwähnt hast, ging es da um einen Jungen?«
»Ja. Aber nochmals, es war nicht während der Party.«
»Verstehe. Aber irgendwo müssen wir ja schließlich anfangen.«
»Okay.«
Er stößt hörbar die Luft aus.
»Ich will dein Verhalten nicht beurteilen, Hannah, aber ist in dieser Nacht etwas passiert, das du bereust?«
»Ja.«
Ich stehe auf, gehe zu den Metallstäben hinüber, umfasse zwei von ihnen und schaue durch die Öffnung hindurch.
»Ist etwas mit diesem Jungen passiert - du kannst ganz offen zu mir sein, Hannah! -, ist etwas mit diesem Jungen passiert, das vielleicht eine illegale Handlung darstellt?«
»Sie meinen, eine Vergewaltigung? Nein, ich glaube nicht.«
»Was soll das heißen - du glaubst nicht?«
»Weil bestimmte äußere Umstände im Spiel waren.«
»Alkohol?«
»Vielleicht, aber nicht bei mir.«
»Drogen?«
»Nein, andere Umstände eben.«
»Denkst du daran, ihn anzuzeigen?«
»Nein, ich... nein.«
Ich atme tief durch.
»Was hast du dann für Möglichkeiten?«
»Ich weiß es nicht.«
Erzählen Sie ihr, was sie für Möglichkeiten hat, Mr Porter!
»Was können wir gemeinsam tun, um das Problem zu lösen, Hannah?«
»Nichts.
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