Tote Maedchen luegen nicht
Porter.
Das kann nicht wahr sein …
Hannah und ich hatten Mr Porter beide in Englisch. Ich sehe ihn jeden Tag. Ich will nicht, dass er über alles Bescheid weiß. Über mich. Über die anderen. Ich hätte mir niemals vorstellen können, dass ein Erwachsener in diese Sache verwickelt ist.
Dann lassen Sie uns mal sehen, wie Sie sich schlagen, Mr Porter.
Man hört, wie ein Klettverschluss gelöst wird, gefolgt von einem Rascheln. Sie scheint das Aufnahmegerät irgendwo zu verstauen. Vielleicht in einem Rucksack oder in ihrer Jacke.
Es klopft.
Erneutes Klopfen.
»Hannah, wie schön, dass du gekommen bist!«
Seine Stimme klingt dumpf, aber freundlich. Es ist Mr Porter, unverkennbar.
»Komm und setz dich!«
»Danke.«
Unser Englischlehrer, doch auch der Vertrauenslehrer aller Schüler mit den Nachnamen A bis G. Hannahs Vertrauenslehrer.
»Wie geht es dir? Möchtest du ein Glas Wasser?«
»Danke, alles in Ordnung.«
»Also, Hannah, was kann ich für dich tun? Worüber möchtest du reden?«
»Ach... ich weiß nicht... über alles Mögliche.«
»Hört sich ja nach einem längeren Gespräch an.«
Stille. Eine zu lange Stille.
»Kein Problem, Hannah. Wir haben alle Zeit der Welt.«
»Es ist nur... dass im Moment … alles irgendwie so schwierig ist.«
Ihre Stimme zittert.
»Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll. Ich meine, es passieren so viele Dinge...«
»Du musst nicht alles auf einmal erzählen. Vielleicht fangen wir damit an, wie du dich gerade fühlst.«
»In diesem Moment?«
»In diesem Moment.«
»In diesem Moment fühle ich mich einsam, irgendwie leer.«
»Wie... leer?«
»Einfach leer. Ich fühle nichts. Mir ist alles egal.«
»In welcher Hinsicht?«
Sie müssen sie irgendwie zum Reden bringen. Fragen Sie weiter, aber bringen Sie sie zum Reden.
»In jeder Hinsicht. Was die Schule betrifft, mich selbst, meine Mitschüler.«
»Was ist mit deinen Freunden?«
»Da müssen Sie mir erst sagen, was Sie unter Freunden verstehen, wenn Sie eine Antwort haben möchten.«
»Du willst mir doch nicht erzählen, dass du keine Freunde hast, Hannah. Also wenn ich dich auf den Fluren beobachte...«
»Ganz im Ernst. Ich brauche da eine Definition. Wie soll man wissen, ob jemand ein Freund ist?«
»Das ist jemand... an den man sich wenden kann.«
»Dann habe ich keine Freunde. Deshalb wende ich mich ja an Sie.«
»Ich bin froh, dass du gekommen bist, Hannah.«
Ich krabbele über die zweite Plattform und knie mich neben eine Öffnung zwischen den Gitterstäben. Eine Öffnung, die groß genug ist, um hindurchzukriechen und die Rutsche zu erreichen.
»Sie können sich nicht vorstellen, wie schwierig es für mich war, diesen Termin wahrzunehmen.«
»Ich hätte noch andere Termine gehabt.«
»Das meine ich nicht. Es hat mich viel Überwindung gekostet hierherzukommen.«
Das glatte Metall der Rutsche erstrahlt im Mondlicht. Ich kann mir genau vorstellen, wie Hannah vor zwei Jahren hier runtergerutscht ist. Losgelassen hat.
»Ich bin wirklich froh, dass du den Weg zu mir gefunden hast, Hannah. Inwiefern möchtest du, dass sich die Dinge verändern, wenn du mein Büro wieder verlässt?«
»Sie meinen, wie Sie mir helfen können?«
»Ja.«
»Äh... es ist schwer zu sagen... was ich mir erwarte.«
»Vielleicht sollten wir mit folgender Frage beginnen: Was ist es, das du brauchst, aber nicht bekommst?«
»Ich brauche nichts mehr. Ich will nur noch, dass alles aufhört. Die Leute... das Leben.«
Ich stoße mich ab und rutsche herunter.
»Du willst, dass das Leben aufhört? Dein Leben, Hannah?«
Keine Antwort.
»Ist dir klar, was du da eben gesagt hast, Hannah? Das sind sehr ernste Worte.«
Ihr ist jedes Wort klar, das aus ihrem Mund kommt, Mr Porter. Sie weiß, dass es ernste Worte sind. Tun Sie was!
»Das weiß ich. Entschuldigung.«
Entschuldige dich nicht. Sprich mit ihm!
»Ich will nicht, dass mein Leben aufhört. Deshalb bin ich hier.«
»Was ist denn geschehen, Hannah? Wie ist es so weit gekommen? Ich weiß, dass du nicht alles aufzählen kannst. Wahrscheinlich ist es eher wie eine Lawine, richtig?«
Ja, eine Lawine - so hat sie es selbst genannt!
»Eines kommt zum anderen... alles türmt sich vor einem auf, bis man ihm nicht mehr standhalten kann...«
»Dem Leben?«
Erneute Pause.
Ich packe die Leitersprossen der Rutsche und ziehe mich nach oben. Meine verpflasterte Hand schmerzt, wenn sie einen Druck verspürt, aber das ist mir egal.
»Hier. Nimm das. Eine ganze Packung
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