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Tote Mädchen

Tote Mädchen

Titel: Tote Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Calder
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schon wahr?«, erwiderte Kito scherzhaft.
    Primavera fuhr sich mit dem Finger über ihre eigene Zahnhardware. »Nichts«, sagte sie. »Nichts ist wahr. Lilith. Titania. Ich. Alles Fälschungen.«
    »Kito könnte Ihnen so einiges über Fälschungen erzählen«, sagte Mosquito. »Das war schon immer ihr Metier.«
    »Deins auch«, sagte Kito. »Früher jedenfalls.«
    »Früher ... ach, früher! Was war ich damals doch für ein hübscher Kerl.«
    An den Wänden von Mosquitos Teak- und Sandelholz-Villa (die Früchte ausgestorbener Flora und Fauna waren eines der Privilegien der Reichen) hingen, in Goldrahmen, Bilder seines früheren Ichs: ein Mädchen mit Bubikopf und sinnlicher Figur, gentechnisch erschaffen aus einem Material, das bereits vielversprechend ambivalent gewesen sein musste.
    »Mosquito früher großartigste Gra-toey von Bangkok«, sagte Kito. »Papst von Kirche des Heiligen Hermaphrodit. Auch bester Puppendieb. Rauschen einfach in Pornokratie rein und gehen mit Puppe wieder raus. Er fast wie Puppe ...« Sie deutete auf die Fotografie einer Frau, die wie eine Mischung aus Filmsternchen und Bildautomateuse aussah. »Ihr nicht finden?«
    »Das war mein größter Wunsch. Ich wollte eine Puppe sein. Wie ich immer gesagt habe: Puppen sind keine Frauen; sie sind die fleischgewordenen Wunschvorstellungen der Männer. Als Ebenbilder des Menschen geschaffen, sind sie eine Erweiterung seiner Sexualität; sie existieren, um Weiblichkeit nachzuahmen und Vorurteile zu bestätigen. Ihr Geschlecht ist eine Illusion ...«
    »Mosquito größter Schwindel von allen. Er keine Lady und keine Puppe ...«
    »Das haben wir gemeinsam, K.«
    »Ja. Mosquito wie ich. Wir beide Teil von künstlicher Welt.«
    »Dann bin ich wohl genauso wenig echt«, sagte Primavera. »Keine Puppe. Kein Mädchen. Sogar Iggy ...«
    »Ich weiß schon«, fiel ich ihr ins Wort. »Kein Junge. Kein Mann. Irgendwas dazwischen. Ein Junkie?«
    »Eine Fälschung«, sagte Primavera. »Die Welt ist eine einzige große Lüge.«
    »Aber es gibt die Liebe«, sagte Mosquito. »Die Liebe hat es immer gegeben.« Er und Kito lächelten einander zu. Verschmitzt. Und traurig.
    Primavera setzte ihre Sonnenbrille auf, überquerte die Veranda und lehnte sich an die Balustrade, um den Androiden zuzuschauen, die die gentechnisch veränderte Seide ernteten. Liebe? Ohne Liebe hätte Primavera leben können. Sie hatte ihre dunklen Freuden gehabt. Sie hatte Titania gehabt. Aber Marodeure hatten ihr Zuhause niedergebrannt. Sie war ein Flüchtling auf einer Straße ohne Wegweiser, stolperte in eine Nacht ohne Sinn hinaus. Vielleicht hätte ich etwas sagen oder zu ihr hinübergehen und sie trösten sollen. Aber der Remy Martin wollte nicht mit zu viel Gefühl gepanscht werden. Er wollte nur, dass ich in seinen Armen dahindämmerte.
    »Immer«, fuhr Mosquito fort. »Selbst als ich stehlen musste, um zu überleben. Das waren magere Zeiten! Wirklich mager. In London wurde ich in eine ziemlich peinliche Angelegenheit verwickelt. Mama und Papa zahlten meine Studiengebühren nicht mehr, ließen mich nach Hause holen und verstießen mich. Also bin ich nach Bangkok gegangen und habe für diesen Amerikaner gearbeitet, der mit gestohlenen Puppen dealte ... bis ich von Madames Talentsuchern rekrutiert wurde.«
    »Mosquito bringen Geschlechtskrankheit nach Paris.«
    Mosquito lächelte. »Es war Rache, wenn ich ehrlich bin. Ich war reingelegt worden ‒ die Puppen, die ich gestohlen hatte, waren für Cartier. Und Cartier infizierte sie mit dem ekelhaften Khlong-Fieber und transportierte sie zurück nach Bangkok. Khlong-Fieber! Das menschliche Immunsystem lernte jedoch rasch, mit diesem Virus fertig zu werden. Ich wollte mich nicht für meine Rasse rächen. Schuld war dieser Kurier ‒ dieser Engländer, der für die verrückten Wissenschaftler bei Cartier in Paris arbeitete ‒ wegen ihm habe ich das getan. Ich habe ihn geliebt, ja, das gebe ich zu, wirklich geliebt. Als er mich hinterging, hat es mir fast das Herz gebrochen. Rache, ja. Ein Verbrechen aus Leidenschaft!«
    »Aber es nicht funktionieren«, sagte Kito. »Meine arme Geschlechtskrankheit nicht funktionieren ...«
    »Ja, das war wirklich schade«, sagte Mosquito. »Könnt ihr euch das vorstellen? Eine Million Franzosen, die an einer Penisschwellung leiden, gegen die sie nichts tun können? Ah, l’amour ...«
    »Puppen können nicht lieben«, sagte Primavera. »Da ist nichts mit l’amour .«
    »Meine arme Dtook-gah-dtah , auch Menschen

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