Tote Pracht
Gehör
schenken würde«, sagte McFate. »Ich habe diese Informationen aus zwei Gründen
zurückgehalten. Erstens fühle ich mich nicht verpflichtet, Einzelheiten meiner
Ermittlungen mit Zivilisten zu besprechen. Und zweitens unterliegen die Namen
und die Aufzeichnungen über Agenten der Geheimhaltung. Ich hatte auch keine
detaillierten Kenntnisse über Grants Aktivitäten, und so konnte ich ihn wohl
kaum mit den anderen Personen in Hilderlys Testament in Verbindung bringen.«
Greg sagte: »Da hat er recht, Sharon.«
»Nur zur Hälfte. Ich habe ihn mehrmals
auf die mögliche Verbindung hingewiesen. Wenn er der Spur nachgegangen wäre und
mich über die Ergebnisse seiner Nachforschungen informiert hätte... Erst
gestern hast du gesagt, daß es gleich ist, wer einen Verbrecher schnappt, wenn
er nur geschnappt wird.«
Greg nickte.
»Logischerweise folgt daraus, daß es
einzig und allein wichtig ist, die verfügbaren Informationen auszuwerten, und
daß es gleich ist, ob diese Informationen von einem Zivilisten oder von der
Polizei beigebracht werden.«
»Man konnte trotzdem nicht von mir
erwarten, daß ich diese Verbindung herstellte...«, sagte McFate.
»Ich glaube doch, vor allem angesichts
der anderen Informationen, die Sie von der Geheimpolizei erhielten und in Ihren
Berichten so geflissentlich verschwiegen.«
McFate fuhr leicht zusammen. Greg
beugte sich interessiert vor.
»Gestern erst hast du mir gesagt, wie
sehr es dich ärgert, daß Leo immer wieder verschwindet«, sagte ich zu Greg.
»Das stimmt.«
»Ich wette, daß er mindestens einmal —
und vermutlich öfter — in seiner alten Abteilung verschwunden ist.«
»So?«
Ich warf einen Blick auf McFate. Er saß
sehr still da.
»Ich vermute, er hat die alten Akten
über die politischen Gruppen, die sie in den sechziger Jahren bespitzelten,
nach Informationen über Hilderly und die anderen Erben durchgesehen — nur für
den Fall, daß mein Verdacht doch begründet war. Und dabei hat er unter anderem
erfahren, warum Hilderly zwanzig Jahre später beschloß, sein Testament zu
ändern — was wiederum die Ermordung Grants auslöste.«
»Warum hat Hilderly sein Testament
geändert?«
»Hilderly war nie Mitglied des
Kollektivs, zumindest nicht in dem Sinn, wie die anderen dachten. Er stand den
Leuten nahe, und sie dachten, daß er seinen Beruf als Journalist dazu
verwendete, ihre Propagandabemühungen zu unterstützen. Aber in Wirklichkeit
sammelte er Informationen für eine Story, vielleicht unter dem Titel ›Alltag in
einem Weather-Kollektiv‹. Doch als sie das Bombenattentat auf Port Chicago
planten — bei dem mit Sicherheit unschuldige Menschen zu Tode kommen würden — ,
verlor er seine Illusionen und hatte Bedenken.«
»Warum sollte er? Er war ein Radikaler.
Und denen war es doch gleich...«, warf McFate ein.
»Hilderly war es eben nicht gleich. Für
ihn stand der Wert eines Menschenlebens über allem anderen. Selbst über seiner
Loyalität seinen engsten Freunden gegenüber. Ich denke, er ging zur
Geheimpolizei — deren Aktivitäten damals wohlbekannt waren — und warnte vor dem
geplanten Attentat. Er wußte zwar, daß das richtig war, aber seine
Schuldgefühle wegen dieses Verrats verfolgten ihn sein ganzes Leben lang.
Letzten Mai begegnete er dann zufällig
Tom Grant, der ihm eine Lüge von seinem eigenen zerstörten Leben erzählte. Hilderly
beschloß daraufhin, Buße zu tun, indem er den drei Menschen, denen er Schaden
zugefügt hatte, Geld hinterließ und auch die einzige lebende Erbin der vierten
Person in seinem Testament bedachte.«
Greg schaute zu McFate. »Stimmt es, daß
Hilderly zur Geheimpolizei ging, Leo?«
Er antwortete nach kurzem Schweigen.
»Ja. Ich weiß nichts von der Geschichte über sein Testament; ich weiß nicht,
wie sie auf das alles kommt. Aber Hilderly war bei der Polizei. Und die wandte
sich ans FBI. Dort erklärte man, die Situation sei bereits bekannt und
Verhaftungen würden in Kürze vorgenommen werden. Hilderly hätte überhaupt keine
Schuldgefühle zu haben brauchen; er hat sie nicht einmal an die Stelle
verraten, die für die Sache zuständig war.«
McFate schien die ganze Sache lustig zu
finden — für ihn war es ein Witz, daß Hilderly sich sein Leben lang schuldig
gefühlt hatte und für etwas Buße tun wollte, das er gar nicht getan hatte. Ich
runzelte die Stirn angesichts solcher Kaltschnäuzigkeit, und ich sah Greg an,
daß er das gleiche dachte.
»Wie hast du dir das alles
zusammengereimt?«
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