Tote reden nicht - Gyllander, V: Tote reden nicht - Det som vilar pa botten
mit der Bemerkung: »Lassen Sie es sich schmecken!« den Teller gereicht hatte, die Nachbartische abwischte. Vermutlich hoffte sie, er würde gehen, damit sie schließen konnte.
Er erhob sich, nickte ihr zu und ging langsamen, schweren Schrittes zur Tür.
Vor ein paar Stunden hatten ihn seine Kollegen gefragt, ob er mit ihnen mittagessen wolle, aber er hatte nur den Kopf geschüttelt. Er hatte in seinem Borgholm-Sessel in seinem Büro gesessen, in der roten Zone im sechsten Stockwerk des Polizeipräsidiums, in dem große Teile der Forensischen Abteilung untergebracht waren. Dort war er sitzen geblieben, bis ihn der Hunger dann trotzdem ins Freie getrieben hatte.
Es war ein schöner Tag, obwohl es in dem auffrischenden Wind kalt war. Der Winter hatte seinen eisigen Griff endlich gelockert, aber an einigen Stellen auf der Straße kämpften noch Schneehaufen ums Überleben. Mit etwas gutem Willen konnte man behaupten, dass sich der Frühsommer endlich näherte. Eigentlich hätte er gute Laune haben müssen. Nichts Unerledigtes lag auf seinem Schreibtisch. Ellen Brandt hatte ihm vorgeschlagen, freizunehmen, Urlaub zu machen, solange so wenig zu tun sei. Mehrere komplizierte Mordermittlungen waren abgeschlossen worden, die Unterlagen mussten nur noch zusammengestellt und an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet werden.
Die Aufklärung eines Mordes an einem bekannten Neonazi hatte Monate in Anspruch genommen, die Ermittlung war nun aber fast beendet. Er war von einem Mitbürger, der das Gesetz in die eigenen Hände genommen hatte, mit einem Pfeil in den Hals ermordet worden. Holtz hatte den Mörder selbst verhaftet. Die Festnahme war undramatisch verlaufen, aber sein Selbstvertrauen hatte einen Knacks erlitten, da er bis zuletzt keinen Verdacht gegen den Täter gehegt hatte. Einige kriminaltechnische Zusatzuntersuchungen standen vielleicht noch aus, aber das brauchte ihn als Chef der Abteilung nicht zu interessieren. Er wollte die Sache einfach hinter sich lassen, und es gab andere, die sich um die verbleibenden Kleinigkeiten kümmern konnten.
Aber Urlaub? Nein. Er wusste nicht, was er mit freier Zeit anfangen sollte. Er trug ein Gefühl in sich, das er nicht näher benennen konnte. Vermutlich war es Einsamkeit. Linda und Eva, seine Töchter, waren vollauf mit ihren eigenen Angelegenheiten beschäftigt, und Nahid war in den Iran verschwunden, um dort ein forensisches Labor einzurichten. Sie fehlte ihm, und er ertappte sich ständig dabei, dass er an sie dachte. An ihre blauen Augen, ihr schwarzes Haar, das ihr immer vor die Augen fiel, ihre Lebendigkeit.
Nahid Ghadjar war ein Jahr zuvor plötzlich in sein Leben getreten und ebenso rasch wieder daraus verschwunden. Er seufzte, als er an ihre letzte Begegnung dachte. Genau das war es gewesen: das allerletzte Mal. An jenem folgenschweren Abend im Hotelrestaurant, an dem er sie hatte verlassen müssen, da an einem Tatort, für den er zuständig war, ein Brand ausgebrochen war.
Seither hatten sie keinen Kontakt mehr gehabt.
Seit sie abgereist war, war dreimal eine iranische Telefonnummer im Display seines Handys aufgetaucht. Er hatte nie abgenommen. Beim ersten Mal war es unmöglich gewesen, weil er ausgerechnet in diesem Augenblick erfahren hatte, dass er dem Mörder des Neonazis gegenüberstand. Die beiden anderen Male war er einfach zu langsam gewesen. Er hatte nicht versucht zurückzurufen. Er wusste nicht, warum. Vielleicht war es leichter, der Passive zu sein, als umgekehrt.
Ja, vermutlich fühle ich mich einsam, dachte er und schlug den Weg Richtung Präsidium ein. Die Sonne verschwand hinter einer Wolke. Er schaute in den Himmel, der sich zunehmend verdüsterte, und verfolgte mit Erstaunen, wie schnell das Wetter umschlug. Aus einem Impuls heraus entschloss er sich, einfach nach Hause zu fahren.
Mika Hassinen verzog das Gesicht und riss die Augen ganz weit auf, um nicht einzuschlafen. Die Wärme und die Dunkelheit in seinem Büro machten es ihm schwer, die Konzentration aufrechtzuerhalten.
Es war der letzte Tag seiner Schicht, und wie immer war er müde, wenn diese sich ihrem Ende näherte. Aber dieses Mal war es schlimmer als sonst. Er rieb sich die Augen. Die Bildschirme vor ihm trugen nicht gerade dazu bei, ihn wacher zu machen.
Nichts geschah. Die Überwachungskameras im Hafen registrierten keine einzige Bewegung. Nicht einmal die kleine Fuchsfamilie war zu sehen. Die Füchse waren unter dem Magazin 4 eingezogen. Ihre nächtlichen Streifzüge im Hafen
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