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Totenblüte

Totenblüte

Titel: Totenblüte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Cleeves
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gegeben, und sie war sich bereits völlig sicher, dass die beiden Morde zusammenhingen.
    Keating fuhr fort. «Keine Blutergüsse, keine Abschürfungen. Wir brauchen Fotos von den Augen und den Augenlidern. Beachten Sie bitte die Petechien.»
    Die waren Vera bereits am Tatort aufgefallen: stecknadelkopfgroße Blutungen in der Haut, die durch das Blockieren der Venen am Hals entstanden waren. Das klassische Anzeichen für eine Strangulation.
    «Sie wurde nicht mit der bloßen Hand erwürgt», sagte Keating. «Es gibt keine Fingerspuren. Beachten Sie den Abdruck am Hals. Die Haut ist unversehrt, es war also kein Draht, es sei denn, er hätte eine Kunststoffhülle gehabt. Wahrscheinlich hat er eine feine Schnur benutzt.»
    Genau so war es im Fall Armstrong gewesen.
    Vera sah zu, wie Keating die äußerliche Untersuchung fortsetzte, sah zu, wie Billy die Beweisstücke eintütete – einen letzten Rest Lippenstift, der dem Salzwasser widerstanden hatte, die Rückstände, die sich unter den Fingernägeln gesammelt hatten, eine Schamhaarprobe   –, und ihr Kopf quoll dabei fast über vor Theorien und Ideen. Was verband diese beiden so unterschiedlichen jungen Menschen miteinander? Veras Gedanken rasten immer weiter.
    Später saß sie wieder mit Keating in seinem Büro. Draußen wurde es langsam hell. Bald würde das Krankenhauspersonal zur Frühschicht eintreffen. Keating servierte noch mehr Kaffee und Schokoladenkekse, und Vera merkte erst jetzt, wie hungrig sie war. Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie das letzte Mal etwas gegessen hatte.
    «Ich fürchte, ich habe nichts weiter für Sie», sagte Keating. «Nichts spricht dafür, dass sie irgendwie misshandelt wurde, bevor man sie erdrosselt hat. Sie war sexuell aktiv, allerdings nicht in letzter Zeit. Keine Schwangerschaft, keine früheren Geburten.» Er schwieg einen Augenblick. «Das hatte sie alles noch vor sich. Ein Jammer.»
    «Sie hat sich nicht gewehrt», sagte Vera. «Heißt das, sie kannte ihren Mörder?»
    «Nicht unbedingt. Vielleicht hat er sie einfach von hinten überwältigt.»
    «Könnte es auch eine Frau gewesen sein?»
    «Sicher», sagte Keating. «Von der Körperkraft her hätte das auch eine Frau hinbekommen.»
    Doch Vera merkte ihm an, dass er eigentlich nicht daran glaubte, eine Frau könnte diesen Mord begangen haben. Er war ein altmodischer, ritterlicher Mann, er bedauerte Frauen, die um die Möglichkeit gebracht wurden, ein Kind zu gebären. Wahrscheinlich, dachte Vera, bedauert er mich auch.

KAPITEL DREIZEHN
    Die Presse hatte Lily Marshs Eltern wohl noch nicht ausfindig gemacht; falls doch, legte sie ein völlig untypisches Zartgefühl an den Tag. Der junge Polizist, der bei ihnen geblieben war, berichtete, es habe keine Anrufe gegeben und auch keine Besucher, bis auf den Pfarrer aus dem Dorf und Mrs   Marshs Schwester.
    «Ich glaube, es ist noch nicht ganz zu ihnen durchgedrungen», setzte er hinzu. «Die Mutter redet, als wäre ihre Tochter einfach nur eine Zeit lang verreist und würde irgendwann wiederkommen.»
    Das Ehepaar Marsh war um einiges älter, als Vera erwartet hatte. Phyllis, die Mutter, war bei Lilys Geburt schon vierundvierzig gewesen, ihr Mann fünf Jahre älter. «Wir hatten die Hoffnung längst aufgegeben, Inspector. Es war wie ein Wunder.»
    Dann besteht für mich ja fast noch Hoffnung
. Doch im Grunde wusste Vera, dass sie keine Kinder bekommen würde. Und die Sehnsucht danach war auch längst nicht mehr so stark.
    Lilys Eltern lebten in einer gepflegten Doppelhaushälfte. Sie wohnten dort schon, seit sie geheiratet hatten, das erzählte Phyllis, während sie Tee machte. «Es ist alles längst abbezahlt. Wir wollten unserer Tochter wenigstens das hinterlassen. Andere Ersparnisse haben wir ja nicht.» Zum zweiten Mal in dieser Woche lauschte Vera einer trauernden Mutter, die viel zu viel redete, um ihrer Gedanken und Erinnerungen Herr zu werden. Als Vera und Joe eintrafen, war der Ehemann, Dennis, in dem kleinen Gewächshaus hinten im Garten beschäftigt, und dorthin ließen sie ihn auch gleich wieder flüchten, nachdem sie sich vorgestellt hatten. Phyllis begrüßte Joe Ashworth wie einen altenFreund, doch Dennis fiel es offenbar schwerer als seiner Frau, sich zusammenzureißen. Er blickte benommen und verstört drein. «Ich komme später noch zu Ihnen nach draußen», sagte Vera zu ihm, «dann können wir uns ein bisschen unterhalten. Nach dem Tee.»
    Vom Fenster des kleinen Wohnzimmers aus sahen sie ihn auf einer

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