Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
TotenEngel

TotenEngel

Titel: TotenEngel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Fischer
Vom Netzwerk:
my feet back on the ground – , inzwischen kann ich das ganze Lied auswendig. Und das Manifest auch …«
    »Welches Manifest?«
    »Etwas, das er im Internet gefunden hat – irgendetwas Widerliches, Morbides, die letzte Botschaft von einem Massenmörder, jemand, der ein Massaker an einer Universität in Amerika angerichtet hat …« Sie begann, das Zeug zu durchwühlen, das sich auf einem der beiden Schreibtische stapelte. »Irgendwo hier muss es sein – da, das ist es!« Sie schwenkte ein Blatt Papier und hielt es dann mit beiden Händen fest, und ihre Hände zitterten jetzt wieder, als sie vorzulesen begann: » Ihr habt mein Herz zerstört, meine Seele vergewaltigt und mein Gewissen in Brand gesetzt. Ihr habt geglaubt, es war nur das Leben eines erbärmlichen Wesens, das ihr auslöscht. Dank euch sterbe ich wie Jesus Christus, um alle schwachen und schutzlosenMenschen zu inspirieren. « Sie schnappte nach Luft. »Wer schreibt denn so was? Das hat er gelesen, das hat er abgeschrieben, vervielfältigt, die Worte dieses Massenmörders: Ihr habt es toll gefunden, mich zu kreuzigen. Ihr habt es toll gefunden, Krebs in meinem Kopf zu erzeugen und Schrecken in meinem Herzen und dabei meine Seele zu zerreißen .«
    Der Commissaris hörte, wie ihre Stimme jetzt mehrmals in einem Satz die Tonlage änderte, wie sie abwechselnd hell und dunkel, laut und leise, schrill und tief klang, während sie las, und er fragte sich, woran ihn dieser jähe Wechsel erinnerte. Sie ließ das Blatt sinken und kam zu ihm, um es ihm in die Hand zu drücken. »Hier, nehmen Sie das mit, bitte! Ich will es hier nicht mehr haben!«
    Er nahm das beidseitig bedruckte Papier, faltete es zusammen und schob es in die Innentasche seines Jacketts. Er hatte das Gefühl, Margriet Zuiker hätte ihn soeben an eine Tür geführt, genauer, an das Schlüsselloch in dieser Tür – das Schlüsselloch zur Hölle. »Gab es in letzter Zeit noch weitere Anzeichen einer Veränderung im Wesen Ihres Mannes?«
    »Er stand am Fenster«, sagte sie.
    Der Commissaris schwieg.
    »Er stand stundenlang am Fenster«, fuhr sie fort. »Sie wollten es wissen, ja? Stundenlang stand er da, zwischen den Blumen, hinter halb zugezogenen Vorhängen, und starrte auf die Straße. Allein vorgestern Abend bestimmt vier Stunden – vier Stunden! Da steht jemand, hat er gesagt , sie verfolgen mich, sie beobachten mich, schon seit Tagen! Ich hab nachgesehen, und da war überhaupt niemand, kein Mensch, und das habe ich ihm auch erklärt: Da ist niemand, Gerrit . Aber er hat weiter hinausgesehen und gesagt: Er wartet auf mich, siehst du nicht? Sie sind hinter mir her, ich habe Angst. Ich habe solche Angst! Ich habe noch mal nachgeschaut, um ihm einen Gefallen zu tun, und diesmal war da tatsächlich jemand, ein Mann, der zu uns herübergeschaut hat, wenigstens wirkte es so, aber nur kurz, dann ist er weitergegangen und nicht zurückgekommen.«
    »Wissen Sie noch, wie der Mann ausgesehen hat?«, fragte derCommissaris. Das elektrische Spannungsfeld in seiner Brust schien sich immer mehr aufzuladen.
    »Nein, es war doch nur Zufall, irgendein Passant, der gar nicht Gerrit gemeint hat, der nur die Vorhänge gesehen hat und sonst nichts!«, entgegnete Margriet unwillig. »Aber Gerrit … Gerrit hat weiter nach draußen gestarrt und gewartet, dass der Mann zurückkommt. Wie ein Jagdhund, der ein Beutetier entdeckt hat«, sie schluckte, »wie ein Hund, ein Hund … Und dann hat er mich angesehen, so wie ein Hund einen auch nur ganz kurz anschaut, um sich zu vergewissern, dass man ihn versteht, dass alles seine Richtigkeit hat. Aber die hatte es nicht, ich habe ihn nicht verstanden, und da hat er gesagt: Du verachtest mich, nicht? Warum verachtest du mich denn so? Siehst du denn nicht, dass ich ersticke?! Ich ersticke!«
    Der Commissaris schaute zu dem Fenster hinüber. Jetzt sah auch er den toten Mann aus dem Rotlichtviertel dort stehen, zwischen den Blumen, hinter den halb zugezogenen Vorhängen, mit müden, verängstigten Augen hinter der geflickten Brille und der Aktentasche in der Hand, und in der Aktentasche eine Brotdose aus blauem Plastik, ein Bibliotheksausweis, ein Exemplar von De Avond! , ein Apfel mit braunen Stellen und eine Pistole der Marke Walther P 38.
    Help me if you can.
    »Haben Sie ihn denn verachtet?«, wollte er wissen.
    Sie schwieg überrascht, als erstaunte es sie, aus seinem Mund eine Frage zu hören, die sie sich selbst seit Längerem stellte. »Ich weiß es nicht«, antwortete

Weitere Kostenlose Bücher