Totenflut
Abschied die Hand zu geben. Der Arzt war ihm nicht geheuer. Er hatte etwas an sich, das Schröder zutiefst verunsicherte.
Schröder kam gegen halb neun nach Hause. Er war in einen heftigen Regenguss geraten, und es tropfte in den Flur. Seine Jacke und sein Hemd waren an den Schultern völlig durchnässt.
»Hallo, Papa!«
»Bist du nass geworden?«, fragte Karl.
»Sieht so aus! Ich zieh mich schnell um und mach uns dann was zu essen!«
»Alles klar!«, rief Karl. Er sah sich eine Tierdokumentation im Fernsehen an. Eine Gruppe von Löwinnen zerriss gerade eine Antilope.
Mit trockenem Hemd ging Schröder in die Küche und stellte zwei Pfannen auf den Herd. Da klingelte das Telefon.
»Verdammt!«, rief Schröder und hob ab.
»Ja, Schröder?«
»Ich dachte, Sie wollten mich heute zum Essen einladen?«, sagte Elin am anderen Ende der Leitung.
»Was? Hören Sie, ich will mich nicht mit Ihnen treffen, klar?«
»Wo waren Sie vorhin eigentlich? Ich hab in der Zentrale auf Sie gewartet!«
Es klingelte an der Haustür.
»Moment mal, ich muss zur Tür!«, sagte Schröder und nahm den Hörer vom Ohr. Als er die Tür aufmachte, stand Elin vor ihm und sprach in ihr Handy.
»Also, wo waren Sie?«
Sie lächelte ihn vorwitzig an. Karl war neugierig geworden und kam zur Tür gehumpelt.
»Was wollen Sie hier?«, fragte Schröder entnervt.
»Essen! Hatte ich das nicht erwähnt?« Sie blickte zu Karl und streckte ihm die Hand hin.
»Hallo, ich bin Elin Nowak, die Partnerin von Schröder!«
»Freut mich, ich bin der Vater von ihm!«, strahlte Karl. »Kommen Sie rein! Nennen Sie mich Karl! Schröder kocht uns gleich was!«
Karl nahm Elin an der Hand und zog sie hinein. Schröder sah den beiden sprachlos hinterher.
Eine halbe Stunde später saà Karl mit einem Glas WeiÃwein auf der Couch, während Elin sich in der Wohnung umsah. Schröder war in der Küche und kochte.
»Sie sind sehr jung für eine Polizistin, oder?«, fragte Karl.
»Ja, das hat Schröder auch schon versucht, mir klarzumachen.«
»Aber ich wette, Sie haben was auf dem Kasten!«
»Danke, Karl! Ein Kompliment tut doch mal ganz gut.«
»Mögen Sie Fisch?«, rief Schröder aus der Küche.
»Ich liebe Fisch.«, antwortete Elin. Sie blieb vor einer Plattensammlung stehen und ging sie durch. Sie fand sieben Alben von Billy Joel und grinste breit.
»Hinsetzen, das Essen ist fertig!«, rief Schröder.
Als er plötzlich das Intro von The Stranger hörte, ahnte er bereits, wie Elin diesen Sieg feiern würde.
»Ich hab mal eine Platte aufgelegt. Wer ist das noch gleich?«
Schröder sagte nichts, stellte ihr nur einen Teller mit Fischstäbchen hin.
»Bon appétit!«, sagte er und grinste hämisch.
Karl setzte sich an den Tisch. Schröder schnitt ihm die Fischstäbchen klein.
»Ein Schlaganfall«, erklärte er Elin, »jetzt muss er mich wie ein Kind bemuttern, und meine Würde geht den Bach runter.«
»Meine Würde ist schon lange unten, weil ich mit 49 immer noch mit meinem Vater zusammenwohne.«, sagte Schröder.
»Sie beide sind wirklich die mitleiderregendsten Männergestalten, die mir jemals begegnet sind!«
Karl und Schröder sahen Elin entsetzt an. Diese drastische Antwort hatte ihnen das Lächeln ausgetrieben.
»Das war ein Scherz. Schmeckt toll, der Fisch! Wollen wir anstoÃen?«
Elin hob ihr Weinglas. Karl ebenfalls und Schröder stieà mit einer Flasche Bier an.
»Ich hab Ihnen was mitgebracht.« Schröder legte ihr die Kopien der Zeichnungen hin.
»Das sind Bilder von Marie Karmann. Was sagen Sie dazu?«
»Merkwürdig. So gegensätzlich.«
»Ich werde das Gefühl nicht los, dass da irgendein Zusammenhang besteht. Franke findet Haare von einem Hirsch, und Marie malt Bilder von Pferden. Vielleicht hat sie Hirsche bei dem Täter gesehen, nur sie kann sie nicht so gut malen. Also malt sie Pferde.«
»Sie denken, sie will uns etwas mitteilen?«
»Bewusst oder unbewusst.«
»Was sagt denn der Psychologe?«
»Ich mag ihn nicht! Komischer Kauz!«
»Ich werde morgen mal überprüfen, wo es hier Tiergehege gibt. Vielleicht bringt uns das weiter!«
Schröder und Elin widmeten sich wieder ihren Fischstäbchen.
»Ich wusste, dass Sie noch LP s haben und keine CD
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