Totenflut
Psychologen öffnet sie sich ein wenig.«
»Wie meinen Sie das?«
»Nun, sie zeichnet. Eine psychotherapeutische MaÃnahme, die besonders bei traumatisierten Kindern gut greift. Die Kinder lernen, sich über die Bilder auszudrücken und bauen auf diese Weise Stress ab.«
»Ist es möglich, dass ich mit den Psychologen sprechen kann?«, fragte Schröder.
»Sicher!«
Nach einem kurzen Telefonat hatte Voss Schröder gleich in die Psychologische Abteilung zu Dr. Frambach geschickt. Schröder nahm im Wartezimmer Platz und sah sich um. An den Wänden hingen unzählige Bilder, die wohl von Frambachs kleinen Patienten gemalt worden waren.
Die Tür ging auf, und ein Junge von vielleicht neun Jahren verlieà das Behandlungszimmer. Er sah Schröder nicht an. Dr. Frambach folgte dem Jungen.
»Machâs gut, Steffen! Wir sehen uns morgen um halb vier.«
Frambach wartete, bis der Junge drauÃen war und wendete sich dann Schröder zu.
»Sie müssen Kommissar Schröder sein.«
»Schön, dass Sie Zeit für mich haben«, sagte Schröder und wollte ins Behandlungszimmer gehen, doch Frambach blieb vor ihm stehen.
»Es macht Ihnen doch nichts aus, wenn wir hierbleiben? SchlieÃlich sind Sie kein Patient«, sagte er. Schröder war etwas irritiert, fügte sich aber. Sie nahmen nebeneinander Platz.
»Wie kann ich Ihnen helfen?«
»Dr. Voss sagte mir, dass Marie Karmann bei Ihnen Zeichnungen angefertigt hätte. Ich dachte, vielleicht könnten diese Zeichnungen für die Ermittlungen von Bedeutung sein.«
»Das glaube ich eher nicht. Sonst hätte ich mich schon bei der Polizei gemeldet.«
»Dürfte ich die Zeichnungen trotzdem einmal einsehen?«, fragte Schröder und bemühte sich, höflich zu klingen.
»Natürlich. Wenn es Ihnen so wichtig ist!« Frambach ging in das Behandlungszimmer, und Schröder konnte einen kurzen Blick hineinwerfen. Dort stand ein schwerer Schreibtisch mit einem Wildschweinfell an der Wand. Auf dem Boden lag ein Spielteppich, und auf einem kleinen Kindertisch stand eine Kiste mit Spielzeug und Büchern. Frambach kam mit einer Akte zurück und schloss die Tür hinter sich. Er schlug den Ordner auf, blätterte darin und entnahm ihm einen Stapel Zeichnungen, den er Schröder reichte.
»Bitte sehr, Herr Kommissar!«
Schröder ging die Bilder eins nach dem anderen durch. Die ersten drei Bilder waren mit wilden Strichen fast vollständig schwarz gemalt.
»Was bedeutet das?«
»Nun, Sie müssen sich vorstellen, dass es ungefähr so in der Seele des armen Mädchens aussehen muss. Eine beängstigende Dunkelheit, wirr und undurchdringlich! Sie ist gefangen im dunklen Verlies ihrer traumatisierten Seele.«
Schröder zog das nächste Bild hervor. Darauf war ein rotes sich aufbäumendes Pferd zu sehen. Schröder stutzte über diesen krassen Unterschied. Frambach beobachtete ihn und antwortete, noch bevor Schröder die Frage stellen konnte.
»Das ist ein gutes Beispiel für die Funktion des menschlichen Geistes. Dinge, die wir als so schrecklich erachten, dass wir sie nicht aushalten können, werden einfach unterdrückt und weggeschlossen. Verdrängung ist eine SchutzmaÃnahme unserer Seele. Das Mädchen kehrt in ihre heile Welt zurück. Das Pferd ist das Symbol dieser heilen Welt. Pferde und Mädchen haben eine fast mystische Beziehung zueinander. Ob in der Literatur, im Film oder in der Malerei: Seit jeher hat man diese Beziehung eingefangen und dargestellt. Das Pferd als Symbol für Stärke, Sicherheit, Liebe, Zuneigung und in der aufkeimenden Sexualität der pubertären Jahre auch ein Symbol für Männlichkeit und sexuelle Potenz.«
Schröder stieà es unangenehm auf, dass Frambach in dieser Weise über Marie sprach. Es war mehr als unangemessen, nachdem sie aus den Fängen eines Mörders und Vergewaltigers entkommen war.
Die restlichen Bilder stellten allesamt Pferde dar. Sieben Zeichnungen von Pferden, die Marie an einem Nachmittag und vielleicht noch heute früh angefertigt hatte. Schröder fand das sehr auÃergewöhnlich.
»Kann ich diese Zeichnungen haben?«
»Nein, tut mir leid! Aber ich kann meine Sekretärin beauftragen, Ihnen Kopien anzufertigen.«
»Das wäre nett«, sagte Schröder. Er gab Frambach die Zeichnungen zurück und verzichtete darauf, ihm zum
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