Totengeld
schuldbewusst aussehen oder so.«
Klasse. Ich hatte ein Mädchen im Kühlraum und meine Tochter im Kriegsgebiet. Ich brauchte keine Amateur-Ermittlerin.
»Das ist okay, Shannon. Aber bitte nur beobachten. Verwickeln Sie niemanden in ein Gespräch.«
»Halten Sie mich für eine Idiotin?«
»Natürlich nicht.«
Ich spürte die Gothic-Augen im Rücken, als ich die Flugzettel anklebte und den Laden verließ.
Der Tag wurde wärmer, die Wolkendecke löste sich auf.
Nachdem ich meine Jacke ausgezogen hatte, fuhr ich zum Motel 6.
Der Komplex, The Pines genannt, war eine lange, rechteckige Schachtel, die wenig Motivation zum Aufrechtstehen zu haben schien. Ein Anstrich, der früher einmal die Waschbetonwände bedeckt hatte, wirkte jetzt wie unregelmäßiger, blutroter Ausschlag. Jedes der zehn Apartments hatte ein einzelnes Fenster mit Vorhang und eine verwitterte, blaue Tür.
Zimmer für fünfzig Cents…
Ich nahm an, dass die Mieter in The Pines eher kurzfristig hier wohnten, entweder auf dem Weg nach oben oder nach unten im Sozialgefüge.
Ein paar klapperige Autos standen auf dem betonierten Streifen vor dem Rechteck, wie alte Schindmähren, die vor einem Saloon angebunden waren. Ich stellte meins dazu und stieg aus.
Bei den ersten sechs Türen antwortete niemand. Ich schob allen einen Flyer unter der Tür durch und ging weiter.
Nummer sieben und acht wurden von dunkelhäutigen Frauen geöffnet, beide behaupteten: No comprendo. Dasselbe, als ich meine Fragen auf Spanisch stellte. Mit Furcht in den Augen nahmen sie die Handzettel entgegen und zogen sich schnell zurück.
Bei Apartment neun öffnete ein Mann mit nacktem Oberkörper die Tür einen Spalt und schlug sie wieder zu, bevor ich etwas sagen konnte. Aus zehn bellte eine Stimme: »Verschwinde!«
Ich tat es.
Ich fuhr die Old Pineville und das kleine Netz der Straßen um die Rountree herum ab und tackerte das Foto des Mädchens an Bäume, Zäune, Strommasten und an eine Schranke am Asphaltende der Rountree, die den Zugang zu einem Waldstück versperrte. Ich hinterließ ihr Bild in jedem Laden, den Slidell besucht hatte. Die meisten akzeptierten meine Handarbeit mit skeptischem Blick. Ein paar stellten Fragen. Die meisten nicht.
Entmutigt arbeitete ich mich den South Boulevard entlang und fuhr dann noch zu den drei Stadtbahnstationen, die dem Fundort des Mädchens am nächsten lagen.
Ich sperrte eben meinen Mazda mit der Fernbedienung auf, als mein iPhone einen Anruf meldete.
»Temperance Brennan.« Ich setzte mich hinters Steuer und schnallte mich mit der freien Hand an.
»Luther Dew.«
»Wie kann ich Ihnen helfen, Agent Dew?«
»Ich hatte gehofft, Sie wären in Ihrem Büro.« Vorwurfsvoll?
»Ich bin gerade dorthin unterwegs.«
»Ich frage mich, ob ich vorbeikommen könnte, in einer halben Stunde vielleicht?«
»Ich habe meine Untersuchung der Mumienbündel noch nicht abgeschlossen.«
Eigentlich hatte ich noch gar nicht angefangen.
»Haben Sie die Radiografie schon gemacht?«
»Ja.« Ich hatte Joe Hawkins gebeten, die Dinger in jeder möglichen Stellung unters Röntgengerät zu legen.
»Ich frage mich, ob ich vielleicht die Filme haben könnte, sie würden mir bei der Zusammenstellung meines Berichts helfen.«
»Fotos können Sie sehr gerne haben, aber unser Institut muss die Originale behalten.«
»Das würde völlig ausreichen.«
»Sie wissen, wo das MCME -Institut ist?«
»Ja. Dann bis in einer halben Stunde.«
Leitung tot.
Und auch Ihnen einen schönen Tag, Agent Dew.
Als ich die Hand auf den Schalthebel legte, knurrte warnend mein Magen.
Ich schaute auf die Uhr. Fast zwei. Ich würde mir einen Bissen holen, wenn Dew wieder gegangen war. Vielleicht kurz raus für Burger und Fritten.
Wem machte ich da was vor? Die Chance auf ein Mittagessen war kleiner als die, Birdie heute Abend in einer Schürze am Herd anzutreffen.
Im Yum-Tum schnell was mitnehmen? So hungrig war ich auch wieder nicht. Würde ich niemals sein.
Ich legte eine CD von Scott Joplin ein, drehte die Lautstärke hoch und trommelte im Rhythmus von Maple Leaf Rag aufs Lenkrad.
Zwanzig Minuten und einen kurzen Abstecher in einen Circle-K-Lebensmittelladen später fuhr ich auf den Parkplatz des MCME. Mrs. Flowers ließ mich, lächelnd wie immer, durch die Sperre.
Ich wartete auf ihre gewohnten höflichen Kurzinformationen.
»Sie haben keine neuen Telefonnachrichten. Dr. Larabee ist nicht da. Ansonsten hat niemand nach Ihnen verlangt.« Alles in ihrem vertrauten
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