Totengeld
worden war, den Dirty Harry geben würde. Dass er jeder Spur nachgehen würde. Aber er hatte seine Prioritäten.
Das Verschwinden einer schwer arbeitenden, alleinerziehenden Mutter, die in der Gegend bekannt war, drängte den Tod einer potenziell Illegalen und potenziellen Prostituierten in den Hintergrund.
Auf dem Bildschirm sprangen die Ziffern in der oberen rechten Ecke auf 10:22.
Sie ruft aus einem USO-Zentrum an, sagte ich mir. Wo Dutzende anstehen fürs Internet. Soldaten, die mit ihren Frauen, Männern, Kindern, ihren Müttern reden. Und sich beim Abschied Zeit nehmen.
Beschäftige dich. Mach deine Arbeit.
Ich klickte den Skype-Bildschirm in den Hintergrund und drückte einige Tasten.
Als im Jahr 2005 immer deutlicher wurde, dass das doppelte Problem der Vermissten und der nicht identifizierten Überreste angegangen werden musste, organisierte das National Institute of Justice eine gigantische Konferenz mit dem Namen Identifying the Missing Summit, Gipfeltreffen zur Identifikation von Vermissten. In der Folge schuf ein Deputy Attorney General die National Missing Persons Task Force, die Nationale Vermissten-Sondereinheit, und beauftragte das Justizministerium mit der Entwicklung von Werkzeugen zur Lösung des Problems der Vermissten und der nicht identifizierten Überreste. Die Sondereinheit schlug die Erstellung einer zentralisierten Datenbank vor.
Aus dieser Empfehlung entstand das National Missing and Unidentified Persons System, NamUs, eine nationale Datenbank über Vermisste und nicht Identifizierte. NamUs ist frei, online und für jeden verfügbar.
Die NamUs-Homepage erschien auf meinem Bildschirm, mit Links zu drei Datenbanken: Vermisste, Nicht identifizierte Personen, Nicht nachgefragte Personen. Da ich hoffte, dass irgendjemand meine Unbekannte als vermisst gemeldet hatte, klickte ich auf den ersten.
Suchparameter erschienen. Ich gab beim Geschlecht weiblich ein, bei der Rasse weiß und beim Alter heranwachsend. Die Rubrik »Ethnische Zugehörigkeit« ließ ich leer, füllte aber »Letztes bekanntes Lebensdatum«, »Alter zum letzten bekannten Lebensdatum« und »Zustand zum letzten bekannten Lebensdatum« aus. Dann klickte ich auf Suchen.
Und bekam keinen einzigen Treffer.
Ich versuchte es noch mal mit der Altersangabe Teenager/Junge Erwachsene.
Noch immer keine Übereinstimmungen.
Also gab ich als ethnische Zugehörigkeit Hispano/Latino ein.
Nada.
Kehrte beim Alter zu heranwachsend zurück.
Nichts.
Enttäuscht, aber nicht überrascht, tat ich das Einzige, was ich konnte. Ich nahm die Informationen meiner Aktenkopie des Medical Examiner zur Hand und gab die Gesuchte damit in die Datenbank der nicht identifizierten Personen ein. Physische, medizinische und persönliche Merkmale. Kleidung. Accessoires. Eine kurze Zusammenfassung der Umstände ihrer Auffindung.
Es gab so wenig einzugeben. Keine Narben. Keine Tattoos oder Piercings. Keine Zahnfüllungen. Keine Implantate. Keine Missbildungen.
Sie war einfach ein normaler, gesunder Teenager. Tot.
10:40. Noch immer meldete sich Skype nicht.
Ins Institut fahren und mit den Mumienbündeln weitermachen?
Ich beschloss, Katy noch ein paar Minuten zu geben.
Ich loggte mich in das Doe Network ein, das Internationale Zentrum für nicht identifizierte und vermisste Personen.
Dasselbe Ergebnis.
Ich loggte mich eben aus, als mein iPhone klingelte.
»Hi, Doc.« Slidell kaute etwas.
»Ja.« Ich starrte ein Foto von Katy an, das vor zwei Sommern auf den Outer Banks aufgenommen worden war. Ihre Haare, vom Wind zerzaust und erleuchtet von den Strahlen der Spätnachmittagssonne, schimmerten wie Gold.
»Hab ein bisschen Zeit mit den Intelligenzbestien an der Old Pineville Road verbracht. Diese Trottel würden ihre eigenen Ärsche nicht finden, wenn –«
»Haben Sie irgendwas Zweckdienliches herausgefunden?«
»Wollen Sie mich auf den Arm nehmen? Ich war in einem Partyladen, einer Lagerhalle für Privatleute, einem Gartenzentrum, das aussah, als hätte es sich auf Schimmel spezialisiert, und in einem Dutzend anderer Löcher, die sich nur noch mit Saugnäpfen an der Straße halten. Die Schweißerei war mein Favorit. Die Tussi am Empfang hatte offensichtlich zu viele Dämpfe eingeatmet. Hätte mit der Leiche da reinmarschieren können, die dumme Kuh hätte es gar nicht bemerkt.«
»Keiner kannte das Mädchen auf dem Foto?« Ich hatte Slidell eine Kopie meines Polaroids aus dem Kühlraum geschickt.
»Keiner wusste irgendwas.«
»Waren Sie auch
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