Totengeld
Eggers.«
»Corporal Eggers ist der Hauptzeuge der Anklage.«
Damit war alles gesagt.
»Wie geht Lieutenant Gross mit dieser ganzen Geschichte um?«
»John liebt sein Land, und er liebt das Corps. Aber er fühlt sich verraten. Er hasst es, hier in Jacksonville festzusitzen, er wäre lieber wieder in Afghanistan. Er ist sicher, dass man ihn freisprechen wird. Wie ich auch.«
Hawthorn lächelte und deutete mit spitzem Finger auf den störenden Abfall. »Darf ich?«
»Ja. Vielen Dank.«
Er warf Serviette und Becher in etwas neben seinen Füßen.
»Nun gut«, sagte er und richtete sich auf. »Können wir uns dann bitte etwas detaillierter mit Ihrer Aussage beschäftigen?«
Etwa eine Stunde lang gingen wir die wesentlichen Punkte durch. Hawthorn hörte zu, stellte ein paar Fragen, machte sich ein paar Notizen. Als ich fertig war, stand er auf und dankte mir noch einmal.
»Falls Sie sonst noch etwas brauchen, ich bin im Lejeune Inn«, sagte ich und hoffte inständig, dass er nicht anrufen würde.
Rigg wartete draußen mit dem Transporter auf mich.
Während wir über den Stützpunkt fuhren, dachte ich über Hawthorns Bemerkungen nach.
Engagiert war das Wort, das er benutzt hatte.
Wie engagiert?, fragte ich mich.
Rigg setzte mich unter dem Vordach ab und kündigte an, mich am nächsten Tag um halb neun wieder abzuholen. Ich ging in mein Zimmer und rief Ryan an. Erreichte nur den Anrufbeantworter. Obwohl er auf meine vorherigen Nachrichten nicht reagiert hatte, hinterließ ich ihm noch eine.
Frustriert und hungrig ging ich in ein Wendy’s und bestellte mir einen doppelten Cheeseburger mit Pommes. O Gott, es war schön, wieder zu Hause zu sein.
Zurück in meinem Zimmer, zeigte der summende Wecker 13:15. Ich bedauerte das Viertelpfund Fett, das ich in mich hineingestopft hatte, jetzt schon und legte ich mich aufs Bett. Draußen zwitscherten die wachhabenden Vögel wie verrückt.
Ich schloss die Augen.
Wieder wurde ich vom Klingeln des Telefons geweckt. Im Zimmer war es inzwischen dunkel.
»Hallo?«
Schweigen.
»Hallo?«
Das Schweigen klang hohl, als würde jemand lauschen. Oder den Hörer abdecken.
Klick.
Ebenfalls Entschuldigung, Arschloch.
Ich ging den Gang hinunter, zog mir aus dem Automaten eine Cola light und fuhr meinen Laptop hoch. Während ich Fotos in eine PowerPoint-Präsentation kopierte, kehrten meine Gedanken immer wieder zu Gross zurück.
Würden die Knochen, die ich in der afghanischen Wüste ausgegraben hatte, über sein Schicksal entscheiden?
26
Der Gerichtssaal war spartanisch: ein erhöhter Richtertisch hinten in der Mitte, die Tische von Verteidigung und Anklage einander gegenüber, der Zeugenstand neben dem Richtertisch mit Blick in den Gerichtssaal, der Tisch des Protokollführers vor dem Zeugenstand, eine leere Geschworenenbank und schließlich einige Plätze für Zuschauer.
Der Vorsitzende der Anhörung, Lieutenant Colonel Frank Keever, war grauhaarig und gepflegt und wirkte wie jemand, der sich nichts gefallen ließ. Major Christopher Nelson hatte einen blonden Bürstenschnitt und einen offensichtlich sehr langen Oberkörper. Der Ankläger wirkte im Stehen viel kleiner als im Sitzen.
Ein Mann und eine Frau waren die einzigen Anwesenden in den drei Zuschauerreihen. Die Einzigen, die Zivilkleidung trugen. Eifriges Notieren deutete darauf hin, dass die beiden Journalisten waren.
Als ich eintraf, saß Lieutenant John Gross bereits, den Rücken steif, die Finger auf der Tischplatte verschränkt. Er war gebaut wie eine Bulldogge, kompakt, aber kräftig, mit einem Gesicht wie behauener Granit. Die Bügelfalten waren messerscharf. Jedes Haar war an seinem Platz.
Pünktlich um 9:30 eröffnete Keever die Anhörung und fragte Hawthorn, ob er mit der Beweisführung der Verteidigung fortfahren wolle.
Ich wurde in den Zeugenstand gerufen.
Gross’ Blick folgte mir, als ich den Saal durchquerte. Ansonsten bewegten sich an ihm kein Muskel, kein Haar und keine Wimper.
Hawthorn begann mit einer Aufzählung meiner Referenzen. Einige Fragen waren dieselben wie bei der Auswahl der Geschworenen vor zwei Wochen in Charlotte.
Hawthorn erwähnte, dass ich einen Doktortitel in Anthropologie und die Zulassung des American Board of Forensic Anthropology hatte, einer Gruppe mit weniger als hundert Mitgliedern. Ich erklärte, dass ich keine Ärztin bin, sondern spezialisiert auf die Untersuchung skelettalen Materials, und dass ich bei der Bewertung menschlicher Überreste eng mit Pathologen
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