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Totengleich

Totengleich

Titel: Totengleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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nehme. Leider Gottes hab ich keine Ahnung, wo ich anfangen soll. Einer von den Typen in Rathowen hat gesagt, die Geschichte wäre zu Lebzeiten seiner Urgroßmutter passiert, was keine große Hilfe ist: Die Frau ist achtzig Jahre alt geworden. Ein anderer schwört, die Sache wäre schon im neunzehnten Jahrhundert gewesen, ›irgendwann nach der großen Hungersnot‹, aber ... ich weiß nicht. Ich glaub, der will sie einfach nur so weit in die Vergangenheit schieben wie möglich. Ich hab also einen Zeitraum von 1847 bis ungefähr 1950, und keiner will mir helfen, ihn einzugrenzen.«
    »Weißt du was«, sagte ich, »vielleicht kann ich dir ja helfen.« Auf einmal kam ich mir gemein vor, wie eine Verräterin. »Lass mir ein paar Tage Zeit, und ich seh mal, ob ich Genaueres rausfinden kann.«
    Eine kleine Pause, wie eine Frage, bis Sam einsah, dass ich nicht ins Detail gehen würde. »Das wäre super. Jede Kleinigkeit wäre hilfreich.« Dann, mit veränderter Stimme, fast schüchtern: »Hör mal, ich wollte dich schon länger was fragen, bevor das alles hier passiert ist. Ich hab mir gedacht … Ich bin noch nie in Urlaub gefahren, außer einmal nach Youghal, als kleiner Junge. Und du?«
    »Frankreich, in den Sommerferien.«
    »Ja, aber das waren eher Familienbesuche. Ich meinte eine richtige Urlaubsreise, wie im Fernsehen, mit Sandstrand und Schnorcheln und bunten Cocktails an einer Bar mit einer kitschigen Sängerin, die »I Will Survive« schmettert.«
    Ich wusste, worauf er hinauswollte. »Was zum Teufel hast du dir in der Glotze angesehen?«
    Sam lachte. » Ibiza Uncovered . Da siehst du mal, was mit meinem Geschmack passiert, wenn du nicht da bist.«
    »Du wolltest dir nur halbnackte Frauen ansehen«, sagte ich. »Emma und Susanna und ich wollten schon seit der Schule immer mal zusammen verreisen, aber wir haben’s nie geschafft. Vielleicht diesen Sommer.«
    »Aber jetzt haben beide ein Kind, nicht? Da wird’s schwierig werden, so eine Freundinnenreise zu machen. Ich hab mir gedacht … « Wieder dieser schüchterne Tonfall. »Ich hab mir im Reisebüro ein paar Kataloge besorgt. Italien hauptsächlich. Ich weiß ja, dass du dich für Archäologie interessierst. Meinst du, ich könnte dich zu einem Urlaub überreden, wenn das alles hier vorbei ist?«
    Ich hatte keine Ahnung, was ich davon hielt, und keinen Raum, mir darüber Gedanken zu machen. »Das klingt herrlich«, sagte ich, »und es ist lieb von dir, daran zu denken. Können wir das entscheiden, wenn ich wieder zu Hause bin? Die Sache ist die, ich weiß nicht, wie lange das hier noch dauert.«
    Eine ganz kurze Stille trat ein, und ich verzog das Gesicht. Ich hasse es, Sams Gefühle zu verletzen. Das ist, wie einen Hund treten, der zu sanftmütig ist, um zurückzubeißen.
    »Es sind jetzt schon über zwei Wochen. Ich dachte, Mackey hätte von höchstens einem Monat gesprochen.«
    Frank sagt alles, was ihm im gegebenen Moment nützlich erscheint. Undercover-Ermittlungen können Jahre dauern. In diesem Fall ging ich zwar nicht davon aus – langfristige Einsätze empfehlen sich bei anhaltenden kriminellen Aktivitäten, nicht bei einmaligen Straftaten –, aber ich war ziemlich sicher, dass er sich den Monat bloß aus den Fingern gesogen hatte, damit Sam Ruhe gab. Für einen kurzen Augenblick hoffte ich es fast. Der Gedanke, wenn die Sache hier beendet war, wieder zum DHG und dem hektischen Dublin und meiner adretten Berufskleidung zurückzukehren, war ungemein deprimierend.
    »Theoretisch, ja«, sagte ich, »aber bei so was kann man nie wissen. Es könnte auch schneller zu Ende sein – ich könnte praktisch täglich nach Hause kommen, wenn einer von uns etwas Handfestes findet. Aber falls ich auf eine gute Spur stoße und die weiterverfolgt werden muss, könnte es auch noch ein oder zwei Wochen länger dauern.«
    Sam stieß einen zornigen, frustrierten Laut aus. »Sollte ich jemals davon anfangen, mich wieder auf eine gemeinsame Ermittlung einlassen zu wollen, dann sperr mich bitte irgendwo ein, bis ich wieder bei Verstand bin. Ich brauche endlich einen Schlusstermin. Ich hab alles Mögliche aufgeschoben – zum Beispiel von den drei Typen DNA-Proben zu nehmen, um sie mit dem Baby abzugleichen … Solange du nicht da raus bist, kann ich nicht mal erwähnen, dass wir in einem Mordfall ermitteln. Ein, zwei Wochen, das geht ja noch –«
    Ich hörte ihm nicht mehr zu. Irgendwo, weiter unten auf dem Weg oder tief zwischen den Bäumen, war ein Geräusch. Keiner der

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