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Totengleich

Totengleich

Titel: Totengleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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üblichen Laute, Nachtvögel und Blätter und kleine Tiere auf Beutejagd, die kannte ich inzwischen. Irgendetwas anderes.
    »Warte mal«, sagte ich leise mitten in Sams Satz hinein.
    Ich nahm das Handy vom Ohr und lauschte, hielt den Atem an. Es kam ein Stück weiter unten vom Weg her, aus Richtung Straße, schwach, aber näher kommend: ein langsames, rhythmisches Knirschen. Schritte auf Kies.
    »Ich muss Schluss machen« sagte ich beinahe flüsternd ins Handy. »Ich ruf wieder an, wenn ich kann.« Ich schaltete das Handy aus, stopfte es in die Tasche, zog die Beine hoch zwischen die Zweige und wartete.
    Die Schritte waren regelmäßig und kamen näher. Sie klangen schwer, nach einer kräftigen Person. An diesem Weg lag nichts außer Whitethorn House. Ich zog meinen Pulloverkragen hoch, langsam, um die untere Hälfte meines Gesichts zu bedecken. Im Dunkeln verrät dich die helle Fläche.
    Die Nacht verändert den Sinn für Entfernungen, lässt Dinge näher klingen, als sie sind, und es schien endlos zu dauern, bis jemand in Sicht kam: zuerst bloß die Andeutung einer Bewegung, ein fleckiger Schatten, der langsam unter den Blättern vorbeizog. Ein Aufleuchten von hellem Haar, gespenstisch silbern in dem fahlen Licht. Ich musste den Impuls unterdrücken, den Kopf abzuwenden. Es war ein übler Ort, um darauf zu warten, dass etwas aus der Dunkelheit trat. Um mich herum waren zu viele unbekannte Dinge, die sich auf verstecken Pfaden zielstrebig ihren eigenen geheimen Angelegenheiten widmeten, und manche waren gewiss von der Art, die wir nicht ungestraft sehen sollen.
    Dann trat er in einen Flecken Mondlicht, und ich erkannte, dass es bloß ein Mann war, gebaut wie ein Rugbyspieler und in einer designermäßig aussehenden Lederjacke. Er bewegte sich, als wäre er unsicher, zögernd, blickte immer wieder zwischen die Bäume auf beiden Seiten. Als er nur wenige Meter entfernt war, wandte er den Kopf und schaute genau auf meinen Baum, und in dem Moment, bevor ich die Augen schloss – auch das kann einen verraten, dieses Glitzern, wir sind alle darauf programmiert, beobachtende Augen zu entdecken –, sah ich sein Gesicht. Er war in meinem Alter, vielleicht etwas jünger, gutaussehend auf eine wenig einprägsame glatte Art, mit einem unsicheren, verblüfften Stirnrunzeln, und er stand nicht auf der BK-Liste. Ich hatte ihn noch nie gesehen.
    Er ging unter mir her, so nah, dass ich ihm ein Blatt auf den Kopf hätte werfen können, und verschwand den Weg hinunter. Ich blieb, wo ich war. Falls er jemanden besuchen wollte, würde ich lange hier oben ausharren müssen, aber das glaubte ich nicht. Das Zögern, die ratlosen Rundumblicke. Er suchte nicht nach dem Haus. Er suchte nach etwas anderem – jemand anderem.
    Dreimal hatte Lexie sich in ihren letzten Wochen irgendwo mit N getroffen – oder zumindest geplant, sich mit N zu treffen. Und wenn die anderen vier die Wahrheit sagten, war sie in der Nacht, als sie starb, wie gewohnt zu ihrem Spaziergang aufgebrochen und ihrem Mörder begegnet.
    Mein Adrenalinausstoß war heftig, und es juckte mich, dem Kerl zu folgen oder ihn wenigstens auf seinem Rückweg abzufangen, aber ich wusste, dass das eine schlechte Idee war. Ich hatte keine Angst – ich war schließlich bewaffnet und trotz seines wuchtigen Körperbaus sah er nicht besonders angsteinflößend aus –, aber ich hatte nur diese eine Chance, und ich konnte es mir nicht leisten, mein Pulver zu verschießen, im übertragenen Sinne, solange ich noch komplett im Dunkeln tappte. Da ich kaum eine Möglichkeit hatte herauszufinden, ob es eine Verbindung zu Lexie gab und wenn ja, welche, würde ich improvisieren müssen, aber es wäre auf jeden Fall besser, wenigstens seinen Namen zu kennen, ehe wir ins Gespräch kamen.
    Ich glitt in Zeitlupe vom Baum herunter – an der Rinde rutschte mein Top hoch, und fast wäre das Mikro abgerissen, Frank musste glauben, ich würde von einem Panzer überrollt – und stellte mich hinter den Stamm, um zu warten. Es kam mir vor wie Stunden, ehe der Kerl zurückkehrte. Er rieb sich den Hinterkopf und sah noch immer verwundert aus. Was auch immer er suchte, er hatte es nicht gefunden. Als er an mir vorbei war, zählte ich dreißig Schritte ab und folgte ihm dann. Ich ging an dem grasigen Rand entlang, setzte behutsam die Füße auf, hielt mich hinter Baumstämmen.
    Er hatte einen Angeberschlitten auf der Landstraße geparkt, einen bulligen schwarzen Geländewagen mit diesen unvermeidlichen getönten

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