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Totengleich

Totengleich

Titel: Totengleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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weggehen«, sagte Abby. Sie beobachtete Daniel aufmerksam, mit runden und sehr ernsten Augen. »Wir könnten weggehen.«
    Ich kämpfte den Impuls nieder, eine Hand über das Mikro zu halten. Ich verstand nicht genau, was hier vor sich ging, aber falls Frank mithörte, würde er sicher vermuten, dass die vier eine dramatische Flucht planten und ich in nächster Zukunft gefesselt und geknebelt im Kleiderschrank landen würde, während die anderen das nächste Flugzeug nach Mexiko bestiegen. Ich wünschte, ich wäre so vorausblickend gewesen, die exakte Reichweite des Mikros zu testen.
    Daniel sah Abby nicht an, aber seine Hand schloss sich fester um ihre Knöchel. »Das könntest du, ja«, sagte er schließlich. »Und ich könnte dich nicht dran hindern. Aber das hier ist mein Zuhause, weißt du. Wie es hoffentlich … « Er atmete tief durch. »Wie es hoffentlich auch deins ist. Ich kann nicht von hier weg.«
    Abby ließ den Kopf nach hinten gegen die Stange der Schaukel fallen. »Ja«, sagte sie. »Ich weiß. Ich kann es auch nicht. Ich denke nur … Gott, Daniel. Was sollen wir tun?«
    »Wir warten ab«, sagte Daniel ruhig. »Wir vertrauen darauf, dass sich mit der Zeit alles wieder beruhigt. Wir vertrauen einander. Wir tun unser Bestes.«
    Ein Luftzug strich mir über die Schulter, und ich fuhr herum, den Mund schon zu meiner Ein-Schluck-Wasser-Geschichte geöffnet. Das Glas stieß gegen den Hahn und fiel mir aus der Hand in die Spüle. Das Klirren klang laut genug, um ganz Glenskehy aus dem Schlaf zu reißen. Hinter mir war niemand.
    Daniel und Abby waren hochgefahren, hatten die Gesichter erschrocken zum Haus gewandt. »Hallo«, sagte ich, stieß die Tür auf und trat auf die Terrasse hinaus. Mein Herz raste. »Ich hab’s mir anders überlegt: Ich bin doch noch nicht müde. Bleibt ihr noch auf?«
    »Nein«, sagte Abby. »Ich wollte gerade ins Bett gehen.« Sie schwang die Füße von Daniels Schoß und schob sich an mir vorbei ins Haus. Einen Moment später hörte ich sie die Treppe hochlaufen, ohne darauf zu achten, die knarrende Stufe zu überspringen.
    Ich ging zu Daniel und setzte mich neben seinen Beinen auf die Terrasse, den Rücken gegen die Schaukel gelehnt. Irgendwie wollte ich nicht neben ihm sitzen. Es hätte sich plump angefühlt, als würde ich Vertraulichkeiten von ihm hören wollen. Nach einem Moment streckte er eine Hand aus und legte sie leicht auf meinen Kopf. Seine Hand war so groß, dass sie meinen Schädel umfasste wie den eines Kindes. »Tja«, sagte er leise, fast zu sich selbst.
    Sein Glas stand auf dem Boden neben ihm, und ich trank einen Schluck: Whiskey on the rocks, das Eis fast geschmolzen. »Hattet ihr beide Streit?«, fragte ich.
    »Nein«, sagte Daniel. Sein Daumen bewegte sich ein ganz kleines bisschen über mein Haar. »Alles in Ordnung.«
    Wir blieben eine Weile so sitzen. Es war eine stille Nacht, kaum ein Lufthauch glitt über das Gras, der Mond schwebte wie eine alte Silbermünze hoch am Himmel. Der kalte Stein der Terrasse durch meinen Schlafanzug und der warme Geruch von Daniels filterloser Zigarette waren irgendwie tröstlich, beruhigend. Ich drückte meinen Rücken ganz leicht gegen den Schaukelsitz, wiegte ihn in einem sanften, gleichmäßigen Rhythmus.
    »Riech mal«, sagte Daniel leise. »Riechst du das?«
    Der erste schwache Rosmarinduft wehte vom Kräutergarten herüber, ein kaum wahrnehmbarer Hauch in der Luft. »Rosmarin, das steht für Erinnerung«, sagte er. »Bald haben wir auch Thymian und Zitronenmelisse und Minze und Gänsefingerkraut und irgendwas, ich glaube Ysop – ist aus dem Buch schwer zu sagen, im Winter. Dieses Jahr ist da natürlich noch alles durcheinander, aber wir werden alles wieder in Form schneiden und wo nötig neu pflanzen. Mit Hilfe der alten Fotos. Auf denen sieht man die ursprüngliche Anordnung, was wohin gehört. Die Kräuter sind alle winterfest, sie wurden also nicht nur ausgesucht, um sie zu ernten, sondern auch, weil sie widerstandskräftig sind. Im nächsten Jahr … «
    Er erzählte von alten Kräutergärten: wie sorgfältig sie angelegt wurden, damit auch wirklich jede Pflanze alles hatte, was sie zum Gedeihen brauchte, wie wunderbar ausgewogen sie waren hinsichtlich Anblick und Duft und Verwendung, Nutzen und Schönheit, ohne je das eine auf Kosten des anderen zu gefährden. Ysop löste Bronchitis und linderte Zahnschmerzen, sagte er, Kamillenwickel heilten Entzündungen, und Kamillentee schützte vor Alpträumen, Lavendel und

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