Totengleich
die Reifen auf dem Kies in der Einfahrt knirschen hörten, aber diese Version unterschied sich leicht von der, die sie an der Uni benutzten: weniger unterkühlt, etwas einnehmender, vollkommen ausgewogen zwischen schockierten Opfern und höflichen Gästen. Abby schenkte Tee ein und stellte einen Teller mit sorgsam arrangierten Keksen hin, Daniel brachte für Doherty einen weiteren Stuhl in die Küche. Rafe machte selbstironische Witze über sich und sein blaues Auge. Allmählich konnte ich mir vorstellen, wie die Vernehmungen nach dem Mord an Lexie gelaufen waren und warum sie Frank so ungeheuer viel Nerven gekostet hatten.
Er fing mit mir an. »Na«, sagte er, als sich die Wohnzimmertür hinter uns schloss und die Stimmen in der Küche zu einem angenehm gedämpften Hintergeräusch verblassten. »Da war ja mal endlich was los hier.«
»Wurde auch Zeit«, sagte ich. Ich rückte Stühle an den Kartentisch, doch Frank schüttelte den Kopf, sank aufs Sofa und winkte mich Richtung Sessel.
»Machen wir’s uns gemütlich. Bist du heil?«
»Der böse Mann hat mir den Nagellack ruiniert, aber ich werd’s überleben.« Ich griff in die Tasche meiner Cargohose und holte einige zerknitterte Notizbuchseiten hervor. »Ich hab gestern Nacht alles aufgeschrieben, im Bett. Ehe meine Erinnerung sich trübt.«
Frank trank seinen Tee und las, ließ sich Zeit. »Gut«, sagte er schließlich und steckte die Seiten ein. »Das ist schön klar, oder so klar, wie’s zurzeit geht, bei dem ganzen Chaos.« Er stellte den Tee ab, nahm sein eigenes Notizbuch und zückte seinen Kugelschreiber. »Konntest du den Kerl identifizieren?«
Ich schüttelte den Kopf. »Hab sein Gesicht nicht gesehen. Zu dunkel.«
»Eine Taschenlampe wäre keine schlechte Idee gewesen.«
»Dafür war keine Zeit. Wenn ich rumgetrödelt hätte, um nach irgendwelchen Taschenlampen zu suchen, wäre er über alle Berge gewesen. Ihr braucht sowieso keine Identifizierung. Sucht einfach nach einem Typen mit einem ramponierten Gesicht.«
»Ha«, sagte Frank nachdenklich und nickte, »die Prügelei. Natürlich. Dazu kommen wir gleich. Nur für den Fall, dass unser Mann behauptet, er wäre die Treppe runtergefallen und hätte sich dabei die blauen Flecken geholt, wäre eine zusätzliche Beschreibung ganz nützlich.«
»Ich kann nur sagen, wie er sich angefühlt hat«, sagte ich. »Falls es einer von Sams Verdächtigen war, ist Bannon definitiv aus dem Schneider: viel zu füllig. Dieser Typ war drahtig. Nicht sehr groß, aber stark. Ich glaube auch nicht, dass es McArdle war. Ich hab dem Kerl irgendwann mitten ins Gesicht gefasst, und da hab ich keinen Bart gespürt, bloß Stoppeln. McArdle ist bärtig.«
»Allerdings«, sagte Frank und machte sich eine Notiz. »Allerdings. Dann tippst du also auf Naylor?«
»Er würde passen. Richtige Größe, richtige Statur, richtige Haare.«
»Das muss reichen. Wir nehmen, was wir kriegen können.« Er studierte nachdenklich seine Notizbuchseite und klopfte sich dabei mit dem Kuli gegen die Zähne. »Apropos«, sagte er. »Als ihr drei losgaloppiert seid, um für die gute Sache zu kämpfen, was hat Danny-Boy da mitgenommen?«
Darauf war ich vorbereitet. »Schraubenzieher«, sagte ich. »Ich hab nicht gesehen, wie er ihn eingesteckt hat, aber ich bin ja auch vor ihm aus dem Zimmer. Er hatte die Werkzeugkiste vor sich auf dem Tisch.«
»Weil er und Rafe dabei waren, Onkel Simons Revolver zu putzen. Was für einer ist das eigentlich?«
»Ein Webley, Armeerevolver aus dem Ersten Weltkrieg. Ziemlich lädiert und verrostet und alles, aber noch immer ein Prachtstück. Würde dir gefallen.«
»Das glaub ich gern«, sagte Frank herzlich und machte einen Vermerk. »Mit ein bisschen Glück krieg ich ihn bestimmt irgendwann mal zu sehen. Also, Daniel will in aller Hast irgendwas als Waffe mitnehmen, und direkt vor seiner Nase liegt ein Revolver, aber er greift lieber zum Schraubenzieher?«
»Ein ungeladener, aufgeklappter Revolver mit abgeschraubten Griffschalen. Und ich hab nicht den Eindruck, dass er was von Waffen versteht. Selbst wenn er die Griffschalen weggelassen hätte, hätte er einen Moment gebraucht, um damit klarzukommen.« Das Geräusch, wie jemand einen Revolver lädt, ist zwar unverkennbar, aber recht leise, und ich war am anderen Ende des Raumes gewesen, als Rafe die Patronen einlegte. Außerdem war Musik gelaufen, es war also gut möglich, dass das Laden der Waffe über das Mikro nicht zu hören gewesen war.
»Also nimmt
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