Totengleich
darauf hindeutet«, fuhr Frank fort, als hätte ich gar nichts gesagt, »dass es dir hauptsächlich darum ging, diesen Kerl windelweich zu schlagen. Und das wäre ja wohl eine Spur unprofessionell von dir gewesen.«
Draußen in der Küche sagte Doherty etwas, das sich wie die Pointe eines Witzes anhörte, und alle lachten. Das Lachen war perfekt, ungezwungen und freundlich, und es ging mir furchtbar an die Nerven. »Ach, verdammt nochmal, Frank«, sagte ich. »Mir ging es darum, meinen Verdächtigen zu schnappen und dabei nicht meine Tarnung auffliegen zu lassen. Wie hätte ich das denn deiner Meinung nach anstellen sollen? Indem ich Daniel und Rafe von dem Kerl runterzerre, ihnen einen Vortrag über die korrekte Behandlung von Verdächtigen halte und gleichzeitig dich anrufe?«
»Du hättest nicht selbst zuschlagen müssen.«
Ich zuckte die Achseln. »Sam hat mir erzählt, als Lexie das letze Mal hinter dem Kerl her war, wollte sie ihm ordentlich die Eier polieren. So war sie nun mal. Wenn ich gezögert hätte und mich von den großen starken Jungs vor dem bösen Mann hätte beschützen lassen, hätte sie das mit Sicherheit stutzig gemacht. Ich hatte keine Zeit, mir die ganzen Konsequenzen durch den Kopf gehen zu lassen. Ich musste schnell entscheiden, und ich hab mich so entschieden, wie es zu ihrer Persönlichkeit passt. Willst du ernsthaft behaupten, du hast dich nie geprügelt, wenn du undercover warst?«
»Um Gottes willen, nein«, sagte Frank unbekümmert. »Wie käme ich dazu? Ich hab mich oft geprügelt, und sogar meistens gewonnen, wenn ich das in aller Bescheidenheit sagen darf. Aber es gibt einen Unterschied. Ich hab mich geprügelt, weil der andere mich zuerst angegriffen hat –«
»So wie der Kerl uns angegriffen hat.«
»Nachdem ihr ihn bewusst dazu angestachelt habt. Vergiss nicht, ich hab mitgehört.«
»Wir hatten ihn verloren, Frank. Wenn wir ihn nicht dazu gebracht hätten, seine Deckung aufzugeben, wäre er einfach von dannen spaziert.«
»Lass mich ausreden, Kleines. Ich habe mich geprügelt, weil der andere angefangen hat oder weil sonst meine Tarnung aufgeflogen wäre oder auch nur, um mir ein bisschen Respekt zu verschaffen, mich in der Hackordnung nach oben zu arbeiten. Aber ich kann getrost sagen, dass ich mich nie geschlagen habe, weil ich so emotional verstrickt war, dass ich den unbezähmbaren Wunsch hatte, jemanden grün und blau zu schlagen. Jedenfalls nicht im Rahmen meiner Arbeit. Kannst du dasselbe von dir behaupten?«
Diese großen blauen Augen, liebenswürdig und beiläufig interessiert. Diese makellose, entwaffnende Kombination aus Offenheit und einem Hauch stählerner Härte. Meine Nervosität schwoll zu einem schreienden Alarmsignal an, wie die elektrische Warnung, die Tiere auffangen, ehe es donnert. Frank befragte mich, wie er einen Verdächtigen befragen würde. Ich war nur einen Fehltritt davon entfernt, von dem Fall abgezogen zu werden.
Ich zwang mich, mir Zeit zu lassen: zuckte leicht verlegen die Achseln, rutschte im Sessel hin und her. »Das war keine emotionale Verstrickung«, sagte ich schließlich mit Blick auf meine Finger, die sich in die Fransen eines Kissens geschoben hatten. »Jedenfalls nicht, wie du denkst. Es ist … Hör mal, Frank, ich weiß, du warst von Anfang an besorgt wegen meiner Nervenstärke. Und ich mach dir keinen Vorwurf.«
»Ist nun mal so«, sagte Frank. Er lümmelte sich auf dem Sofa und beobachtete mich mit völlig ausdrucksloser Miene, aber er hörte mir zu. Ich hatte noch immer eine Chance. »Die Leute reden. Ein- oder zweimal ist die Rede auch auf den Knocknaree-Fall gekommen.«
Ich verzog das Gesicht. »Kann ich mir vorstellen. Und ich kann mir auch vorstellen, was sie gesagt haben. Die meisten Leute hatten mich schon als Burn-out abgeschrieben, noch ehe ich meinen Schreibtisch geräumt hatte. Ich weiß, du bist mit meinem Einsatz hier ein Risiko eingegangen, Frank. Ich weiß nicht, was du alles gehört hast … «
»So dies und das.«
»Aber du weißt bestimmt, dass wir die Ermittlung bombastisch in den Sand gesetzt haben, weshalb jetzt ein Mensch frei rumläuft, der eigentlich lebenslänglich in den Knast gehört.« Das jähe Stocken in meiner Stimme, ich musste es nicht spielen. »Und das ist zum Kotzen, Frank, ganz ehrlich. Ich wollte nicht, dass so was noch mal passiert, und ich wollte nicht, dass du denkst, ich hätte kein starkes Nervenkostüm mehr, weil das nicht stimmt. Ich dachte, wenn ich diesen Kerl erwische
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