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Totengleich

Totengleich

Titel: Totengleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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fröhliche Verbundenheit war weg, mit einem bösartigen Zischen verpufft, wie Wasser auf einer heißen Kochplatte. Keiner amüsierte sich noch.
    »Die Blödheit von diesem Kerl ist mir lieber als die Intelligenz der Bullen. Wir können sie nicht gebrauchen. Falls der Idiot wiederkommt – und das wird er nicht, nicht nach heute Abend –, dann werden wir allein mit ihm fertig.«
    »Weil wir ja bis jetzt«, sagte Abby schroff, »so wahnsinnig gut darin gewesen sind, unsere Probleme selbst zu lösen.« Sie schnappte sich mit einer knappen, wütenden Bewegung die Popcornschüssel vom Boden und hockte sich hin, um die Scherben aufzulesen.
    »Nein, lass das. Die Polizei wird alles so sehen wollen, wie es war«, sagte Daniel und ließ sich schwer in einen Sessel fallen. »Aua.« Er verzog das Gesicht, zog Onkel Simons Revolver aus der Gesäßtasche und legte ihn auf den Sofatisch.
    Justins Hand erstarrte mitten in der Bewegung. Abby, die gerade aufstand, wäre fast nach hinten gekippt.
    Bei jedem anderen hätte ich nicht mit der Wimper gezuckt. Aber Daniel: Etwas Kaltes rauschte über meinen ganzen Körper wie Meerwasser, verschlug mir den Atem. Es war, wie wenn man seinen Vater im Vollrausch erlebt oder seine Mutter bei einem Nervenzusammenbruch: dieses Absacken des Magens, das Zerreißen der Kabel, ehe der Lift Hunderte von Stockwerken in die Tiefe saust, unaufhaltsam, schon verloren.
    »Das kann nicht dein Ernst sein«, sagte Rafe. Er war kurz vor einem neuen Lachanfall.
    »Was zum Henker«, fragte Abby sehr leise, »hattest du damit vor?«
    »Ehrlich«, sage Daniel und warf einen leicht verwunderten Blick auf die Waffe, »ich weiß es nicht. Ich hab ganz instinktiv danach gegriffen. Als wir draußen waren, war es natürlich viel zu dunkel und chaotisch, um irgendwas Sinnvolles damit anzustellen. Es wäre gefährlich gewesen.«
    »Ach nee«, sagte Rafe.
    »Hättest du das Ding benutzt ?«, wollte Abby wissen. Sie starrte Daniel aus großen Augen an und hielt die Schüssel so, als wollte sie damit werfen.
    »Ich weiß nicht«, sagte Daniel. »Ich glaube, ich wollte ihn wohl damit bedrohen, damit er nicht wegläuft, aber ich schätze, wozu man fähig ist, weiß man immer erst, wenn man in die entsprechende Situation gerät.«
    Dieses Klicken, auf dem dunklen Feldweg.
    »Oh Gott«, flüsterte Justin, ein zittriger Atemhauch. »Was für ein Wahnsinn.«
    »Aber es hätte noch viel schlimmer kommen können«, stellte Rafe vergnügt klar, »ein richtiges Gemetzel, Blut und Gedärme, meine ich.« Er zog sich einen Schuh aus und schüttelte eine kleine Lawine aus Sand und Steinchen auf den Boden. Nicht mal Justin sah hin.
    »Halt die Klappe«, fauchte Abby. »Halt bloß die Klappe. Das ist kein Witz mehr. Das alles läuft völlig aus dem Ruder. Daniel –«
    »Alles in Ordnung, Abby«, sagte Daniel. »Ehrlich. Alles unter Kontrolle.«
    Rafe sank auf dem Sofa zurück und lachte erneut auf. Es klang spitz und spröde, beinahe hysterisch. »Und du behauptest, das hier wäre kein Witz?«, fragte er Abby. »›Unter Kontrolle. ‹ Meinst du wirklich, die Formulierung passt, Daniel? Würdest du allen Ernstes sagen, wir haben die Situation unter Kontrolle?«
    »Das habe ich bereits gesagt«, erwiderte Daniel. Seine Augen ruhten auf Rafe, wachsam und sehr kalt.
    Abby knallte die Schüssel auf den Tisch, Popcorn spritzte. »Schwachsinn. Rafe führt sich bescheuert auf, aber er hat recht, Daniel. Wir haben das hier nicht mehr unter Kontrolle. Vorhin hätte jemand sterben können. Ihr drei rennt da raus in die Dunkelheit und jagt irgendeinem psychopathischen Brandstifter hinterher –«
    »Und als wir zurückkamen«, stellte Daniel fest, »hattest du den Schürhaken in der Hand.«
    »Das ist etwas völlig anderes. Der war nur zur Verteidigung gedacht, für den Fall, dass er zurückkommt. Ich hab’s nicht drauf angelegt, wie ihr. Was wäre denn gewesen, wenn er dir das Ding irgendwie hätte entreißen können? Was dann?«
    Jeden Augenblick würde einer hier das Wort »Revolver« aussprechen. Und sobald Frank oder Sam spitzkriegten, dass Onkel Sams Revolver von einem kuriosen kleinen Familienerbstück zu Daniels Lieblingswaffe mutiert war, wären wir auf einer ganz neuen Ebene, einer Ebene, wo ein Sondereinsatzkommando mit kugelsicheren Westen und Sturmgewehren auf Abruf bereitstand. Bei dem Gedanken zog sich mir der Magen zusammen. »Möchte vielleicht irgendwer hören, was ich denke?«, warf ich ein und schlug auf die Armlehne meines

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