Totengleich
er lieber den Schraubenzieher«, sagte Frank und nickte. »Klingt logisch. Aber aus irgendeinem Grund kommt er nicht mal auf die Idee, das Ding auch einzusetzen, als er den Kerl schließlich zwischen die Finger kriegt.«
»Konnte er auch nicht. Das war das totale Chaos da draußen, Frank. Wir haben uns zu viert über den Boden gewälzt, überall Arme und Beine, und man konnte nicht erkennen, was zu wem gehört – ich bin ziemlich sicher, Rafes blaues Auge geht auf mein Konto. Wenn Daniel einen Schraubenzieher gezückt und angefangen hätte, damit um sich zu stechen, hätte er mit hoher Wahrscheinlichkeit einen von uns getroffen.« Frank nickte noch immer zustimmend und schrieb alles auf, aber er hatte einen gelangweilt amüsierten Gesichtsausdruck, der mir nicht gefiel. »Was denn? Wär dir lieber gewesen, er hätte den Kerl niedergestochen?«
»Es hätte mein Leben jedenfalls um einiges einfacher gemacht«, sagte Frank heiter und rätselhaft. »Und wo war denn nun dieser ominöse – was war’s noch mal –, dieser ominöse Schraubenzieher während der ganzen dramatischen Aktion?«
»In Daniels Gesäßtasche. Wenigstens hat er ihn da rausgeholt, als wir wieder im Haus waren.«
Frank hob ganz besorgt eine Augenbraue. »Da kann er aber von Glück sagen, dass er sich nicht selbst damit verletzt hat. Bei der ganzen Wälzerei hätte er sich leicht den ein oder anderen Stich zuziehen können.«
Er hatte recht. Ich hätte lieber einen Schraubenschlüssel nehmen sollen. »Hat er vielleicht auch«, sagte ich achselzuckend. »Du kannst ihn ja bitten, dir seinen Hintern zu zeigen.«
»Ich denke, darauf verzichte ich vorläufig.« Frank ließ seinen Kugelschreiber klicken, schob ihn in die Tasche und lehnte sich entspannt auf dem Sofa zurück. »Was«, erkundigte er sich freundlich, »hast du dir dabei gedacht?«
Eine Sekunde lang fasste ich das tatsächlich als Frage nach meinem Denkprozess auf und nicht als Auftakt für einen bombastischen Anschiss. Ich hatte damit gerechnet, dass Sam sauer sein würde, aber doch nicht Frank. Für ihn ist persönliche Sicherheit Glückssache, er hatte zum Auftakt dieser Ermittlung jede Regel gebrochen, die ihm unter die Finger kam, und wie ich selbst genau wusste, hatte er einmal einen Dealer so fest mit dem Kopf gerammt, dass der Mann ins Krankenhaus eingeliefert werden musste. Nie wäre ich auf die Idee gekommen, er könnte wegen so etwas sauer sein. »Der Typ wird unberechenbarer«, sagte ich. »Früher hat er sich auf Sachbeschädigung beschränkt. Er hat Simon March nie ein Haar gekrümmt, und als er das letzte Mal Steine geschmissen hat, hat er sich ein Zimmer ausgesucht, das, wie er durchs Fenster sehen konnte, leer war … Aber diesmal hat der Stein Abby und mich nur um Zentimeter verfehlt – wer weiß, vielleicht hat er sogar auf eine von uns gezielt. Inzwischen richtet sich seine Gewalt nicht bloß gegen Sachen, sondern auch gegen Menschen. Er kommt mehr und mehr als Verdächtiger in Frage.«
»Klar«, sagte Frank und schlug lässig die Beine übereinander. »Ein Verdächtiger. Genau das, wonach wir suchen. Also, denken wir die Sache doch mal bis zum Ende durch, ja? Mal angenommen, Sammy und ich fahren heute nach Glenskehy und schnappen uns die drei Knaben, und nur mal angenommen, wir holen aus einem von ihnen irgendwas raus, was für eine Festnahme und vielleicht sogar für einen Haftbefehl reicht. Was meinst du, was soll ich sagen, wenn sein Anwalt und die Staatsanwaltschaft und die Medien mich fragen, und damit rechne ich, wieso sein Gesicht aussieht wie Hackfleisch? Unter den gegebenen Umständen bleibt mir keine andere Wahl, als ihnen zu erklären, dass die Verletzungen von zwei anderen Verdächtigen und einer Undercoverbeamtin von mir verursacht wurden. Und was meinst du, was dann passiert?«
Ich hatte nie auch nur für einen Moment so weit im Voraus gedacht. »Du findest schon einen Ausweg.«
»Mag sein«, sagte Frank noch immer mit dieser freundlich gelangweilten Stimme, »aber darum geht es jetzt nicht, oder? Eigentlich will ich wissen, was genau du vorhattest, als du da rausgerannt bist. Als Detective hätte es doch eigentlich dein Ziel sein müssen, den Verdächtigen ausfindig zu machen, ihn zu identifizieren und falls möglich festzuhalten oder zu beobachten, bis du eine Möglichkeit gefunden hättest, Verstärkung anzufordern. Hab ich irgendwas vergessen?«
»Ja, allerdings. Du hast vergessen, dass es nicht so einfach –«
»Weil dein Verhalten nämlich
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