Totengrund
meinen Kommilitonen geworden ist.«
»In meinem Fall eine geschiedene Frau. Seit vier Jahren.«
»Oh. Das tut mir leid.«
Sie zuckte die Achseln. »Mir nicht.«
Sie fuhren mit dem Aufzug in den zweiten Stock, wo sie beide ausstiegen.
»Wir sehen uns dann bei der Cocktailparty«, sagte sie, winkte zum Abschied und zog ihre Schlüsselkarte aus der Tasche.
»Bist du schon zum Abendessen verabredet? Ich bin nämlich zufällig noch frei. Wenn du dich mir anschließen möchtest, such ich uns ein gutes Restaurant raus. Ruf mich einfach an.«
Sie drehte sich um und wollte ihm antworten, doch er schlenderte schon den Flur entlang, die Tasche über die Schulter geworfen. Als sie ihm nachsah, tauchte plötzlich ein anderes Bild von Douglas Comley vor ihrem inneren Auge auf. Ein Bild von ihm in Bluejeans, wie er auf Krücken über den Campusrasen humpelte.
»Hattest du dir nicht in dem Jahr das Bein gebrochen?«, rief sie. »Ich glaube, es war kurz vor den Abschlussprüfungen.«
Er wandte sich zu ihr um und lachte. » Das ist dir von mir in Erinnerung geblieben?«
»So nach und nach fällt mir alles wieder ein. Du hattest einen Skiunfall oder so was in der Art.«
»So was in der Art.«
»Also war es kein Skiunfall?«
»O Mann.« Er schüttelte den Kopf. »Das ist so oberpeinlich, das kann man keinem Menschen erzählen.«
»Jetzt hast du es geschafft – jetzt musst du es mir erzählen.«
»Wenn du mit mir essen gehst.«
Sie hielt inne, als die Aufzugtür sich öffnete und ein Mann und eine Frau heraustraten. Sie gingen Arm in Arm den Flur entlang, ganz offensichtlich ein Paar, was sie sich auch nicht zu zeigen scheuten. So, wie es sich für Paare gehört, dachte sie sich, als die beiden ihr Zimmer betraten und die Tür hinter sich schlossen.
Sie sah Douglas an. »Die Geschichte würde ich gerne hören.«
3
Sie setzten sich früh von der Cocktailparty der Rechtsmediziner ab, um im Four Seasons Resort in Teton Village zu Abend zu essen. Nachdem Maura acht volle Stunden lang einen Vortrag nach dem anderen über Stichverletzungen und Bombenanschläge, Projektile und Schmeißfliegen über sich hatte ergehen lassen, stand ihr das Thema Tod bis obenhin, und sie war erleichtert, in die normale Welt zurückkehren zu können, wo Fäulnis und Verwesung keine gängigen Gesprächsthemen waren und wo die schwerwiegendste Entscheidung des Abends die zwischen Rot- und Weißwein war.
»Wie hast du dir denn nun damals in Stanford das Bein gebrochen?«, fragte sie, während Doug den Pinot Noir in seinem Glas schwenkte.
Er verzog das Gesicht. »Ich hatte gehofft, du würdest dieses Thema vergessen.«
»Du hast versprochen, dass du es mir erzählst. Deswegen bin ich schließlich mit dir essen gegangen.«
»Nicht wegen meiner geistreichen Konversation? Wegen meines jungenhaften Charmes?«
Sie lachte. »Doch, das auch. Aber hauptsächlich wollte ich wissen, wie das mit dem gebrochenen Bein war. Ich habe irgendwie das Gefühl, dass es eine irre Geschichte ist.«
»Okay.« Er seufzte. »Du willst die Wahrheit wissen? Ich bin auf dem Dach der Wilbur Hall herumgeturnt und runtergefallen.«
Sie starrte ihn an. »Mein Gott, das ist aber ein ziemlich tiefer Sturz!«
»Wovon ich mich persönlich überzeugen konnte.«
»Ich nehme an, es war Alkohol im Spiel.«
»Natürlich.«
»Dann war es also nur ein typischer alberner Studentenstreich.«
»Warum klingst du so enttäuscht?«
»Ich hatte irgendwie etwas … hm, ein wenig Unkonventionelleres erwartet.«
»Na ja«, gestand er, »ich habe auch ein paar Details ausgelassen.«
»Zum Beispiel?«
»Das Ninja-Kostüm, das ich anhatte. Die schwarze Maske. Das Plastikschwert.« Er zuckte verlegen mit den Schultern. »Und die extrem demütigende Fahrt im Krankenwagen.«
Sie betrachtete ihn mit einem Ausdruck kühler Professionalität. »Und verkleidest du dich heute immer noch als Ninja?«
»Siehst du?« Er lachte schallend. » Das ist es, was dich so einschüchternd macht! Jeder andere hätte mich ausgelacht. Aber du reagierst mit einer sehr logischen, sehr nüchternen Frage.«
»Gibt es eine nüchterne Antwort?«
»Nein, weit und breit nicht.« Er hob sein Glas und prostete ihr zu. »Auf alberne Studentenstreiche. Auf dass wir nie zur Vernunft kommen!«
Sie nahm einen Schluck und stellte ihr Weinglas ab. »Wie hast du das gemeint, als du sagtest, ich sei einschüchternd?«
»Das warst du schon immer. Ich komme da an, ein total verpeilter Typ mit nichts als Flausen im Kopf, und
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