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Totenhauch

Totenhauch

Titel: Totenhauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Stevens
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Augen, und sie tupfte sich mit einer Serviette die Nase. »Ich bin nie darüber weggekommen. Ich kann heute noch nicht in den Garten gehen, ohne dass ich das süße kleine Kätzchen an dem Baum hängen sehe.«
    Ich murmelte ein paar Beileidsbekundungen und ließ ihr einen Moment Zeit, damit sie sich wieder fassen konnte, während ich mir das Ganze noch einmal durch den Kopf gehen ließ. Je mehr ich herausfand, desto größer wurde meine Verwirrung. Wer hatte Claytons Erbe angetreten? »Woher wussten Sie, dass er der Schuldige war?«
    »Er hatte die Frechheit, sich damit zu brüsten«, gab Tula zornig zur Antwort. »Den kleinen Pekinesen von Myrtle Wilson hat er auch umgebracht. Sie fand ihn genau wie ich die arme Isabelle. Und da waren noch andere Tiere. Eichhörnchen, Kaninchen, sogar Beutelratten. Am Ende war es so schlimm, dass man Angst hatte, nach draußen zu gehen, weil man nicht wusste, was an den Bäumen hängen würde.«
    Das groteske Bild ließ mich erschauern. »Hat nie jemand die Polizei gerufen?«
    »Für die Polizei war dieser Junge viel zu schlau. Schon als er noch ganz klein war, wusste er, wie er seine Spuren verwischen muss. Und als er größer wurde, hatten die Leute hier viel zu viel Angst vor ihm, als dass sie die Behörden eingeschaltet hätten. Sie hatten Angst, dass er ihnen in der Nacht, wenn sie geschlafen haben, das Haus anzünden würde. Und dann wurde plötzlich das kleine Mädchen vermisst, das in der Halstead Street wohnte. Ein paar Detectives sind gekommen und haben ihn aufs Präsidium gebracht, um ihn zu venehmen. Sie konnten ihm nie nachweisen, dass er etwas mit ihrem Verschwinden zu tun hatte, aber ich glaube, sie konnten ihm irgendetwas anderes anhängen. Sie haben ihn nämlich in so eine Anstalt für jugendliche Straftäter gesteckt. Vielleicht war es auch eine psychiatrische Einrichtung. Während er da drin war, ist seine Mum hier weggezogen. Ich habe sie und den Jungen nie wiedergesehen. Und den anderen auch nicht, fällt mir gerade ein.«
    »Den anderen?«
    Ihr Gesicht wurde weicher. »Er war ein stilles, dürres Kerlchen. Er und seine Mum hatten ein paar Blocks weiter ein Haus gemietet. Soweit ich gehört habe, war sie keine gute Mutter. Eine Säuferin, haben die Leute gesagt. Hat immer fremde Männer mit nach Hause gebracht. Schönes Vorbild für den Jungen. Der hatte nie eine Chance. Ich habe ihn zu allen möglichen und unmöglichen Zeiten auf der Straße herumirren sehen. Oder er hat allein zu Hause auf der Veranda gehockt. Ich nehme an, dass er sich deshalb mit Clayton Masterson abgegeben hat. Das arme Kind war einfach einsam. Eine Weile waren die beiden unzertrennlich, aber ich glaube nicht, dass er etwas mit der Tötung der Tiere zu tun hatte. Nicht freiwillig jedenfalls.«
    »Was meinen Sie damit, nicht freiwillig?«
    Ihr Blick verdüsterte sich und sie beugte sich vor. »Unten am Fluss gab es damals ein unbebautes Grundstück. Da haben immer viele Kinder gespielt. Ein Junge aus der Nachbarschaft hat behauptet, er habe einmal gesehen, wie Clayton und der andere Junge in den Wald gegangen sind. Dort hatte Clayton einen alten räudigen Hund an einen Baum gehängt und versucht, den anderen Jungen dazu zu bringen, das Tier zu töten. Als der Kleine sich geweigert hat, hat Clayton sie beide an den Handgelenken zusammengebunden und dem Kind mit Gewalt ein Messer in die Hand gedrückt. Hat ihn gezwungen, dem armen Hund die Klinge ins Herz zu stoßen.« Sie lehnte sich zurück und fasste sich mit der Hand an den Hals. »Das muss man sichmal vorstellen! Wissen Sie, wie ich so jemanden nenne? Einen geborenen Mörder nenne ich so jemanden.«
    Ich fürchtete, dass sie damit recht haben könnte. »Wie hieß der andere Junge?«
    »Ich weiß es nicht. Er und seine Mutter waren meist für sich. Es gab da Gerüchte, sie komme aus einer wohlhabenden Familie und man habe sie Jahre vorher enterbt.« Tula hielt inne und legte nachdenklich die Stirn in Falten. »Es hieß, sie sei eine Delacourt gewesen. Aber Sie wissen ja, wie gern die Leute reden.«
    Als ich mich von Tula Mackey verabschiedet hatte und die Straße hinunterfuhr, wollte ich als Erstes instinktiv Devlin anrufen. Ich hatte eine wichtige Entdeckung gemacht, aber es konnte ein bisschen verzwickt sein, es ihm zu eröffnen. Wie sollte ich erklären, dass ich Clayton Masterson gefunden hatte, weil sein Totengeist   – und diese Uniformjacke   – mich zu ihm geführt hatten?
    Ich musste mir die Sache gründlich überlegen und

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