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Totenhauch

Totenhauch

Titel: Totenhauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Stevens
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von Westbury ausfindig zu machen, der vor über zehn Jahren verschwunden war.
    »Ich denke schon. Jetzt frage ich mich, ob hier in der Nähe vielleicht noch jemand wohnt, der zur gleichen Zeit auf der Schule war wie er.«
    »Ich war in Westbury. Je nachdem also, um welches Jahr es geht   …«
    Sie drehte das Jahrbuch um und schaute auf den Buchdeckel. »Da war ich das erste Jahr hier. Damals gab es noch nicht so viele Schüler auf der Schule, deshalb kann ich Ihnen vielleicht helfen. Ich kann mich allerdings nicht erinnern, muss ich Ihnen sagen, dass ich je etwas über einen vermissten Schüler gehört hätte.«
    Ich zeigte mit dem Finger auf Clayton Mastersons Foto. »Erinnern Sie sich an ihn?«
    Sie schien ebenso zusammenzuzucken wie ich.
    »Vage. Er war ein paar Klassen über mir, aber ich meine, ich hätte da irgendetwas von einem Skandal in Erinnerung. Meine Tante hat einmal so etwas erwähnt. Er ist wohl einmal verhaftet worden. Er und seine Mutter haben ganz bei ihr in der Nähe gewohnt.«
    »Meinen Sie, Ihre Tante wäre bereit, mit mir zu reden?«
    Emery lächelte. »Ach, wissen Sie, Tula redet einfach mit jedem. Die Frage ist eher, wie man es schafft, dass sie die Klappe hält.«
    Tula Mackey erwartete mich auf der Eingangsveranda ihres winzigen, im Craftsman-Stil erbauten Cottages in der Huger Street. Wie ihre Nichte prophezeit hatte, fing sie sofort an zu reden, als sie mich sah, und sie machte nicht ein einziges Mal Pause, um Luft zu holen, während sie mich ins Haus und durch einen schmalen Flur in eine sonnendurchflutete, gelb gestrichene Küche führte, wo sie mir einen Eistee und Plätzchen anbot. Den Tee nahm ich an, denn es war ziemlich warm in ihrem Haus, und das Glas zu halten gab mir die Möglichkeit, meine Hände zu beschäftigen.
    Schließlich setzte sie sich mir gegenüber in die Essecke und sah mir mit hellwachen und wissbegierigen Augen zu, wie ich an dem Tee nippte.
    »Emery sagt, Sie suchen nach dem Masterson-Jungen.«
    »Das stimmt nicht ganz«, erklärte ich ihr. »Ich suche nicht nach ihm, sondern ich versuche herauszufinden, was mit ihm passiert ist. Viel mehr kann ich Ihnen dazu nicht sagen, aber alles, was Sie mir über ihn erzählen könnten, wäre eine große Hilfe.«
    Sie strich sich die grauen Haare hinter die Ohren. »Er und seine Mum haben ein Stück die Straße hinunter gewohnt, in dem zweistöckigen blauen Haus an der Ecke. Deshalb kann ichmich noch gut an den Jungen erinnern, aber ich habe keine guten Erinnerungen an ihn.«
    »Könnten Sie mir ein paar Einzelheiten erzählen?«
    »Er war ein brutaler Kerl«, sagte sie. »Der gemeinste Mensch, der mir je begegnet ist. Und damit meine ich nicht, so gemein, wie Kinder manchmal untereinander sein können, sondern so grausam und sadistisch, dass seine eigene Mum Angst vor ihm hatte.«
    »Können Sie mir beschreiben, wie er ausgesehen hat?«
    »Mittelgroß, würde ich sagen, stämmig gebaut. Nicht fett, wohlgemerkt, das waren lauter Muskeln. Breite Schultern, mächtige Oberarme. Hände wie Schaufeln. Der sah aus, als könnte er ein Auto hochstemmen, wenn er Lust dazu gehabt hätte. Eine Zeit lang hat er Football gespielt, aber sogar dafür war er zu hinterhältig. Hat einen anderen Jungen verletzt, sodass sie ihn aus dem Team werfen mussten. Ich denke mal, das war der Auslöser. Sein Sport war so ziemlich das Einzige, worauf er stolz war. Man hat ihn nie ohne diese Jacke gesehen, auch dann nicht, wenn es draußen warm war.«
    »Sie sagen, er war ein brutaler Kerl. Was hat er denn angestellt?«
    »Er hat meine arme kleine Isabelle ermordet.« Sie zupfte am Ausschnitt ihres blau geblümten Schürzenkleides. »Die hübscheste weiße Perserkatze, die Sie sich vorstellen können, ein ganz liebes Tier. Sie war eine Hauskatze, aber einmal ist sie mir nachgelaufen, als ich hinausgegangen bin, und ich bin bestimmt ein Dutzend Mal in der ganzen Nachbarschaft herumgerannt, bis ich sie schließlich in meinem eigenen Garten gefunden habe, aufgehängt an einem Baum. Er hat sie aufgehängt wie ein Reh, das ausgeweidet werden soll.«
    Bei der Vorstellung drehte sich mir der Magen um. Er hatte sie aufgehängt   … wie Hannah Fischer und Afton Delacourt. Als Hannah getötet wurde, war Clayton Masterson aber schonviele Jahre tot gewesen, brutal ermordet, seine Leiche versteckt in dieser Kammer, bis sie dort verrottete.
    »Wie er dieses arme kleine Wesen gefoltert hat   …« Tula konnte nicht mehr weitersprechen. Ihr schossen die Tränen in die

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