Totenheer (German Edition)
geschwiegen, ihr Blick pendelte zwischen Wulfgar und den Geistern hin und her. Hi n ter ihren Rau b tieraugen arbeitete ein messerscharfer Verstand, der die Teile eines großen Rätsels Stück für Stück zusamme n setzte, und als sie wieder zu sprechen begann, schwang A b scheu in ihrer Stimme mit. „Wie auch immer du deine ruchlose sterbliche Existenz bezeichnest – de i ne Vergangenheit entlarvt dich und zeigt, wer du bist. Ich weiß jetzt warum die Toten in diesem Land keinen Frieden finden. Du ließest deine Soldaten den unbrechbaren Schwur leisten.“
„So ist es“, bestätigte Wulfgar. „Tarynaar zeigte mir, wie ein König seine Truppen mit diesem Schwur für immer an sich binden konnte. Noch bevor wir damals in die Schlacht auf der Shyr-Ebene zogen, um gegen die vereinten Heere von Ken-Tunys, Bolwarien, Atland und Tharland zu kämpfen, leisteten meine Soldaten den ewigen Schwur, der mit ihrem und meinem Blut besiegelt wurde und dem mein Vater als Zeuge beiwohnte. Mit Hilfe der nordischen Runen des Lebens und des Todes en t fesselte er eine Magie, die König und Untertanen für immer miteinander verbanden. Und seit ihrem Tod in der Schlacht existieren meine Soldaten als Geister weiter.“
„Diese Geister, wie du sie nennst, sind Wesenheiten, die auf i h re primitivsten Triebe beschränkt sind. Die Menschen, die sie einst waren, mit all ihren charakterlichen Eigenschaften, sind längst fort.“
„Und deshalb sind sie die besten Soldaten, die sich ein K ö nig wünschen kann. Menschen kennen Furcht, Menschen ke n nen Gnade, mein Totenheer kennt nichts dergleichen. Ihre Triebe lauten Zerstören und Töten, sie sind Kriegsbestien und geho r chen bedingungslos den Befehlen ihres Königs.“
„Du hast sie zu lebenden Toten gemacht“, klagte ihn Patr y ous an. „Es heißt, sie leiden entsetzlich darunter, jeder Moment bedeutet für sie nichts als Leid. Doch es heißt auch, der Tod des Königs würde das Totenheer Frieden finden lassen.“
„Wahrlich, der Tod des letzten Königs wird auch ihr Tod sein. Aber dieser Moment ist noch fern. Ihr Unsterblichen kommt aus der Ferne nach Kentar, doch was wisst ihr schon von diesem Land oder von seinem König? Dem Schmerz der Niede r lage haftet seit jeher etwas Demütigendes an. Über zwei Jah r zehnte hinweg ertrage ich ihn nun schon. Ich, der einstige Beherrscher des Westens. Mein Name ließ die Leiber meiner Feinde vor Furcht erzittern. Meine Streitmacht wurde besiegt, der prunkvolle Thron meines Palastes ist längst morsch. Und gleich den Wölfen, deren Häupter einst die schwarzen Banner dieses Reiches geziert hatten, streife ich nun durch die Wil d nis. Ich mag zwar alt sein, doch noch immer brennt gleich einem Feuer der Wille zur Macht in meinem Herzen. Und ich frage euch Unsterbliche: Was ist schon ein König ohne sein Volk, was ist ein Feldherr ohne seine Soldaten? Das gleiche wie ein Schwert ohne die starke Hand, die es führt. Nichts!“
„Was hält dich davon ab, deine Untertanen von ihrem Schwur zu entbinden?“ sagte Larkyen. „Als König wärst du dazu fähig. Sie würden sterben, so wie es hätte sein sollen.“
„Warum sollen sie sterben, wo doch nach dem Tod das gr o ße Nichts wartet. Die Schamanen mögen das Gegenteil b e haupten, doch ich bin sicher, es gibt kein Leben nach dem Tod. Ich habe meinen Soldaten den Sieg versprochen, und wir we r den den Sieg erringen. Als Geister sind sie an ihre Gebeine g e bunden, an den Ort ihres Todes, sie können Kentar nicht ve r lassen. Doch es gibt eine Möglichkeit, sie von dieser Gebu n denheit zu lösen. Ein Artefakt, das sich einst in den B e sitz von Tarynaar befand, ist dafür von unverzichtbarem Nutzen für mich. Das Wolfszepter, gefertigt aus Ebenholz und doch unze r stö r bar, trägt die Gravur eines Runenverses der Kyaslaner auf seiner Oberfläche.“
Larkyen erinnerte sich an eine frühere Begegnung mit Tar y naar. Damals hatte der Gott der Kentaren ein solches Zepter mit sich geführt, und lange Zeit fand es sogar Erwähnung in den Überlieferu n gen der Sterblichen.
Mit einem Donnergrollen in der Stimme fuhr Wulfgar mit seinem Bericht fort: „Die Magie dieses Zepters ist altnordisch, sie wird meinen Soldaten die Macht verleihen, die Grenzen Kentars hinter sich zu lassen und in Ken-Tunys und Bolwarien ei n zumarschieren.“
„Nein“, zischte Larkyen. „Du gedenkst deine Nachbarländer anzugreifen?“
„So wie wir es einst taten.“
„Das wäre der Beginn eines neuen Krieges,
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