Totenheer (German Edition)
einer Esche kauerte, um die beiden Unsterbl i chen beobachten zu können. Der Mensch glaubte sich unentdeckt, bis Larkyen in seine Richtung schritt.
Der Sterbliche machte schnurstracks kehrt und rannte in den Wald hinein. Larkyen überquerte mit schnellen Schritten die Wiese, unzählige Schädel grinsten ihn zwischen den Gräsern heraus an. Er musste nicht rennen, denn längst hatte er die Wi t terung aufgenommen und war sich gewiss, dass er den Sterbl i chen früher oder später einholen würde.
Patryous nahm ihre beiden Pferde an den Zügeln und folgte i h rem Weggefährten eher gemächlich.
Larkyen war um ein Vielfaches schneller als der Mensch. Bereits als er den Wald erreichte, konnte er ihn für einen M o ment hinter einer Gruppe Sträucher verschwinden sehen. Der Ster b liche war so groß wie Larkyen, ähnlich jenen aus dem Volk des Nordens, doch bei weitem drahtiger in der Statur. Es konnte sich nur um einen Kentaren handeln, demnach musste er die Gegend hervorragend kennen. Der Sterbliche war darauf bedacht, sich trotz seiner Schnelligkeit leise zu bewegen, und das mochte ihm gelingen, doch Larkyens Ohren en t ging nichts. Der Unsterbliche hörte jeden Schritt, jedes Rascheln im Laub, das Knacken von Geäst unter schweren Stiefeln, selbst A t mung und Herzschlag entgingen ihm nicht. Es dauerte nicht lange, da hatte Larkyen den Mann bereits wieder erspäht.
„Ich bin kein Feind!“ rief ihm Larkyen nach. „Bleib stehen; es ist sinnlos, vor mir zu flüchten.“
Daraufhin hielt der Sterbliche inne. Als Larkyen ihn eing e holt hatte, drehte sich der Mann langsam um.
Er mochte über sechzig Jahre gelebt haben, doch war er kaum außer Atem, wenngleich sein Herz in der Brust noch immer raste. Sein Haar war bereits grau geworden, viele So r genfalten hatten sich in die breite Stirn gegraben. Seine Fel l kleidung war abgetragen und schmutzig, den linken Oberarm zierte ein schwarzes Band mit dem weißen Wolfskopf Kentars. Jegliche Bewaffnung bestand aus einem Kurzschwert, das o f fen im Gürtel steckte, und dessen Klinge längst Rost ansetzte.
„Ich bin nicht geflüchtet“, knurrte der Mann, und das höhn i sche Grinsen in seinem Gesicht wich einem Ausdruck von Überraschung. „Du bist einer von ihnen“, zischte er plötzlich. „Ein Lebensfresser, deine Augen verraten dich, es sind die e i nes Raubtieres. Das Volk der Kentaren ist menschlich und sterblich, kein Lebensfresser kann zu uns gehören, kein Gott ist hier mehr willkommen. Was führt dich in meine Heimat Ke n tar?“
Der Mann wich einen Schritt zurück, er nahm sofort eine Kampfha l tung ein, was jedoch instinktiv zu geschehen schien, denn er behielt sein Schwert am Gürtel. Vielleicht wusste er von den Selbstheilungskräften aller Kinder der schwarzen So n ne, und wie sinnlos daher ein Angriff mit gewöhnlichen Wa f fen war.
„Ich wollte dieses Land mit eigenen Augen sehen, seine Vergange n heit verstehen.“
„Was es über mein Land zu wissen gibt, wurde in den Chr o niken von Ken-Tunys festgehalten. Wenn Du Antwort auf de i ne Fragen suchst, musst du dich dorthin begeben, denn von mir erfährst du nichts. Ich fürchte euch Unsterbliche nicht, und e u er Anblick ist mir gewiss nicht fremd. Mein Volk hat einem der deinen einst vertraut, aber vergebens.“
„Tarynaar!“
„Das war sein Name, wir nannten ihn Gott, verehrten ihn, hielten ihn für einen Weisen und nahmen seinen Rat an, doch als das Volk der Kentaren nach neuem Raum strebte, wandte er sich gegen uns.“
„Er wird seine Gründe gehabt haben, und wahrlich habe ich sein Wort als stets weise in Erinnerung.“
„Seit vielen Jahren wünsche ich mir, dass er vom Angesicht der Welt verschwindet, das einer der Seinen ihn vernichtet.“
„Dann freut es dich vermutlich zu erfahren, dass Tarynaar tot ist.“
Der Mann schien innerlich zu erstarren, er sah Larkyen e i nen Moment lang tief in die Augen, bevor er fragte: „Bist du derj e nige, der ihn getötet hat?“
„Nein!“
Mit Verbitterung in der Stimme fuhr der Mann fort: „Tar y naar hatte den Tod verdient. Und nun verlasse dieses Land, wer immer du auch bist.“
„Ich bin Larkyen, und nenne nun auch du mir deinen N a men, oder ist in diesem Land selbst die Höflichkeit verloren gega n gen?“
Der Mann schnaubte verärgert, bevor er antwortete: „Mein Name lautet Wothar.“
„Dann solltest du wissen, Wothar, das Tarynaar einer me i ner Gefährten war. Ich zog mit ihm gemeinsam in die Schlacht g e gen einen
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