Totenkönig (German Edition)
Königs, vergrub er tief in kentarischer Erde, wo es niemand je finden würde.
Es war Zeit, um Abschied von Kentar zu nehmen, wenngleich auch nicht jeder Abschied für immer ist.
Auf einer Lichtung traf er Patryous, die auch die Göttin der Reisenden genannt wurde. Ihre anmutige Gestalt zeichnete sich deutlich vor den hohen Gräsern ab, ihre Raubtieraugen schimmerten bedrohlich. Sie kauerte über dem regungslosen Leib eines Rehs. Ihre Hände berührten noch immer das glatte Fell. Längst hatte das Tier aufgehört zu atmen, das Herz stand still und jegliches Leben war aus ihm gewichen. Sie hatte es genommen und davon gezehrt, um ihren Hunger zu stillen. Das Fleisch überließ sie den Wölfen, die sich aus dem Dickicht näherten.
„Der Imperator hat zu dir gesprochen“, sagte sie. Ihre Stimme klang so klar und melodisch, wie Larkyen es selten bei einer Frau e rlebt hatte. „Die Luft war mit dem Hauch einer Macht erfüllt, deren Gegenwart ich lange nicht mehr gespürt habe.“
„Aye, Rha-Khun bittet mich, nach Kyaslan zu reisen.“
„Vom Imperator persönlich eingeladen zu werden gilt unter den Unsterblichen als eine sehr große Ehre. Und zumeist teilt Rha-Khun sein Wissen mit seinen Gästen. Er ist der fortschrittlichste Unsterbliche, den es gibt. Sei dir gewiss, dass du große Macht erlangen wirst, wenn du gen Süden aufbrichst.“
„Bist du bereit, an meiner Seite nach Kyaslan zurückzukehren?“
„Ich begleite dich bis an das Ende der Welt und darüber hinaus“, sagte sie. Und ihre Worte waren nicht gelogen, dass wusste Larkyen.
Schon lange hegte er die Hoffnung, einen Weg zu finden, Strygar, den Schöpfer der Strygarer, zu vernichten. Doch längst gab es noch einen anderen Feind, den er ebenso zu hassen gelernt hatte.
Jeder Krieger, der an zu vielen Schlachten teilgenommen hatte und gezwungen war, den Tod seiner Waffenbrüder und Freunde hilflos mit ansehen zu müssen, hegte den gleichen Wunsch wie ein Mann, der Frau und Kind an die Pest oder an die Schwerter seiner Feinde verloren hatte. Sie alle wünschten sich, den Tod zu besiegen, seinen kalten Schatten mit Licht und Wärme zu erfüllen. Und in diesen Wünschen unterschied sich Larkyen nicht von den Menschen.
Es war sein Wissensdrang, der ihn nach Süden trieb. Immer we iter in Richtung Süden, wo die Tage lang und die Abende kurz waren, wo die Luft warm war und die Sonne heiß brannte. Der weißen Küste eines unerforschten Meeres entgegen, dessen schier endlose Weiten so tiefblau waren wie der Himmel. Jenseits der bekannten Welt hoffte er, das Geheimnis von Leben und Tod lüften zu können.
Kapitel 2 – Der Weg nach Süden
Seit vielen Tagen hatte es nicht mehr geregnet. Gnadenlos hüllte die Sommerhitze das südwestliche Stadtreich Meridias ein und verwandelte das Labyrinth der Straßenschluchten in einen Ofen. Die Luft stand, und der Gestank von Unrat drang aus der Gosse. Die Kanäle unter der Stadt führten weniger Wasser als sonst. Doch zur Freude und Erleichterung der Meridianer hielt sich das Trinkwasser in den Brunnenschächten. Niemand unter ihnen musste dürsten, weder die Menschen, noch das Vieh. Sogar für die Obstplantagen und Felder im Norden der Stadt gab es genug Wasser.
Und auch wenn man auf den Ziegeln der Dächer ohne weiteres hätte Fleisch braten können, herrschte im Inneren der Häuser, die zumeist aus Stein oder Lehm errichtet worden waren, eine angene hme Kälte. Wer es sich erlauben konnte, verbrachte die meiste Zeit des Tages im Schatten. Erst zur Abenddämmerung begannen sich die Straßen wieder zu füllen, und als die Nacht die gewünschte Abkühlung brachte, war Meridias zu neuem Leben erwacht.
Wenngleich Larkyen und seine Gefährtin Patryous die Stille und Abgeschiedenheit der Wildnis bevorzugten, so verkürzte die Durc hquerung der Stadt ihre Reise in Richtung Süden erheblich. Meridias zu umreiten hätte sie sechs Tage gekostet. Für Larkyen war so viel Geduld nicht länger hinzunehmen.
Er ritt mit seiner Gefährtin Patryous kurz nach Dämmerungseinbruch in die Stadt. In der Dunkelheit zogen die Unsterblichen bei weitem nicht so viele Blicke auf sich. Es war ihrer beider Anliegen, so wenig Aufmerksamkeit wie möglich zu erregen. Larkyen hatte oft genug erlebt, wie die Sterblichen auf das Erscheinen eines Unsterblichen reagierten. Zuerst vermuteten die Menschen immer, er käme von irgendwo aus dem Norden, denn seine kantigen und harten Gesichtszüge hätten davon zeugen können. Aber wenn
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