Totenkünstler (German Edition)
ein Schmunzeln. »Okay, ich auch nicht. Ich wollte Sie nur darauf aufmerksam machen, dass Sie sich in ein Kaugummi gesetzt haben, und jetzt klebt Ihnen ein dicker grüner Klumpen hinten an den Jeans.« Er neigte den Kopf zur Seite. »Sieht nicht so schick aus.«
Jetzt endlich zuckte der Blick der Frau für den Bruchteil einer Sekunde zu Hunter, bevor er weiter nach unten wanderte. Sie verdrehte den Oberkörper im Versuch, ihren Hintern zu betrachten.
»Andere Seite«, sagte Hunter milde.
Die Frau drehte sich in die andere Richtung, und schlagartig flog ihre Hand an ihr Gesäß. Ihre Fingerspitzen mit den aufwendig manikürten Nägeln ertasteten den zähen, klebrigen Fleck, der sich von der Mitte ihrer Pobacke bis hinunter zum Oberschenkelansatz zog.
»Shit«, sagte sie, zog die Hand weg und betrachtete sie angeekelt. »Das sind Roberto-Cavalli-Jeans.«
Hunter hatte keine Ahnung, was das für einen Unterschied machte. »Die sind hübsch«, sagte er mitfühlend.
»Hübsch? Die haben ein Vermögen gekostet!«
Hunter sah sie mit neutraler Miene an. »In der Reinigung geht der Fleck bestimmt raus.«
»Shit«, sagte sie erneut und stakste in Richtung Toiletten davon.
»Na, das war aber geschmeidig«, meinte Garcia, als Hunter an ihren Tisch zurückkehrte. »Was hast du zu ihr gesagt? Ich habe nur gesehen, wie sie sich an den Arsch gefasst hat und dann wie eine Rakete Richtung Klo gezischt ist.«
Hunter hob seinen Whisky zum Mund. »Wie ich bereits sagte, es war nicht das, wonach es aussah.«
Garcia gluckste und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. »Du musst an deinen Anmachsprüchen arbeiten, Mann.«
Hunters Handy klingelte. Er stellte sein Glas hin und fischte es aus seiner Tasche. »Detective Hunter?«
»Robert, hier ist Terry. Ich habe ein paar Infos für dich.«
Detective Terry Cassidy gehörte zum Raub-und Morddezernat. Hunter hatte ihn gebeten, alles über den mittlerweile entlassenen Raul Escobedo herauszufinden, den Vergewaltiger, den Dupek bei der Verhaftung zusammengeschlagen hatte.
»Ich höre, Terry.«
»Also, der Kerl, den ich überprüfen sollte, dieser Escobedo, der ist ein echt mieses Stück Scheiße«, sagte Cassidy einleitend. »Arschloch GmbH und Co KG, wenn du weißt, was ich meine. Sexualstraftäter, dem bei Gewalt einer abgeht. Soll sich insgesamt an zehn Frauen vergangen haben.«
»Ich kenne die Geschichte«, unterbrach Hunter seinen Kollegen. »Was hast du sonst noch rausgefunden?«
»Okay, unser Freund hat seine Strafe abgesessen. Hat zehn Jahre wegen Vergewaltigung in drei Fällen gekriegt – mehr Frauen haben nicht gegen ihn ausgesagt. Und jetzt halt dich fest: Während seiner Zeit im Knast hat die Kotztüte doch allen Ernstes seinem sündigen Leben abgeschworen. Er hat zu Gott gefunden .« Cassidy hielt inne, entweder des Effekts wegen oder weil ihn die Vorstellung, jemand wie Escobedo könne behaupten, geläutert zu sein, ihn vor Empörung sprachlos machte. Cassidy war gläubiger Katholik. »Escobedo hat angefangen, Tag und Nacht in der Bibel zu lesen, und er hat am Religionsunterricht teilgenommen, der im Knast angeboten wurde. Hat mit Bestnoten abgeschlossen. Nach seiner Entlassung vor zwei Jahren …«, wieder eine kurze Pause, »… du ahnst es schon – hat er angefangen zu predigen. Er bezeichnet sich jetzt als ›Reverend‹, der anderen die Frohe Botschaft verkündet und ihnen hilft, den rechten Weg zu finden. Nennt sich Reverend Soldado. Nach St. Juan Soldado, einem Volksheiligen, der im Nordwesten Mexikos von vielen Menschen verehrt wird. Escobedos Familie stammt aus der Region.«
»Der heilige Soldat?«, fragte Hunter, der den Namen aus dem Spanischen übersetzt hatte.
»Ganz genau«, bestätigte Cassidy. »Ich habe mal ein bisschen nachgeforscht. Mit bürgerlichem Namen hieß dieser Heilige Juan Castillo Morales. Er war Gefreiter bei der mexikanischen Armee. Und jetzt pass auf, das glaubst du nicht … Castillo wurde 1938 für die Vergewaltigung und den Mord eines achtjährigen Mädchens aus Tijuana verurteilt hingerichtet. Kein Witz, Robert – Vergewaltigung. Seine Anhänger glauben, dass er zu Unrecht beschuldigt wurde. Er soll bei Gesundheitsproblemen, Schwierigkeiten mit dem Gesetz, Familienangelegenheiten, bei der Überquerung der mexikanisch-amerikanischen Grenze und allen möglichen anderen Unwägbarkeiten des Alltags helfen.« Hunter hörte Cassidys ungläubiges Lachen. »Das muss man sich wirklich mal auf der Zunge zergehen lassen. Escobedo hat sich
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