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Totenkult

Totenkult

Titel: Totenkult Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Eberl
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Sonnenstrahlen fielen durch die gotischen Fenster und malten Muster wie in einem Kirchenschiff auf den Boden. Ein balinesischer Affengott hockte auf einem Podest. Er hatte sein Schwert drohend über dem Kopf erhoben und schien seine Besucher direkt anzustarren. Bosch beeilte sich, an dieser Palastwache vorbeizukommen. Am Ende des Ganges befand sich eine niedrige Eichentür.
    »Vorsicht, Kopf einziehen.« Henri stieß die Tür auf. »Das ist jetzt der älteste Teil. Das Schloss wurde erst im 19.   Jahrhundert auf den Resten einer mittelalterlichen Burganlage erbaut.« Er fasste um den Türrahmen, und sofort flammte künstliches Licht auf und erhellte eine Halle.
    »Bitte.« Henri machte eine einladende Geste und ließ Bosch den Vortritt. »Nur hinein in die gute Stube.«
    Ein wenig zögernd betrat Bosch ein fensterloses Gewölbe. Die Kälte, die ihm entgegenschlug, überraschte ihn zunächst, doch dann sah er, dass an verschiedenen Stellen der rau verputzten Mauern der blanke Fels zu sehen war. Das Schloss klebte mit der Rückseite wie ein Schwalbennest am Berg. Natursteinsäulen trugen die Bögen des mittelalterlichen Ziegelgewölbes. Hier und da war ein Stein herausgebrochen.
    Die einzige Möblierung bestand aus einem Refektoriumstisch in der Mitte der Halle und einem langen Wandteppich. Es war eine Patchwork-Arbeit. Eine breite schwarze Borte bildete den oberen Rand. Darauf waren weiße Totenschädel zu sehen, aus deren Mündern roter Rauch aufstieg. Stoffstreifen, in denen Bosch Gesichter und Fabelwesen erkannte, hingen kunstvoll miteinander verknüpft bis auf den Steinboden herab.
    »Eine nepalesische Danba.« Henri ging zu dem Teppich, hob einen der seidigen Streifen an und ließ ihn durch seine Finger gleiten. »Soll die bösen Geister vertreiben.« Er ließ den Streifen zu Boden fallen. »Früher gab es hier noch andere Exponate. Wir mussten sie aber auslagern, weil die klimatischen Bedingungen leider nicht optimal sind. Nach dem Umbau wird natürlich die ganze Sammlung wieder gezeigt.« Er schob die Hände in die Taschen seiner Tweedjacke und sah sich um. »Dann wird endlich wieder Leben im Schloss sein, ganz in Grand-pères Sinn. Er war ein Menschenfreund.«
    Bosch nickte. Es roch ein wenig staubig, was vielleicht von der Danba kam, jedoch nicht modrig, sodass man wohl davon ausgehen konnte, dass die alten Mauern trocken waren. Ein großer Vorteil für den geplanten Ausbau. Aber er konnte sich nicht vorstellen, dass das Denkmalamt einem Eingriff in die mittelalterliche Bausubstanz zustimmen würde. Er hatte einen Grundriss bekommen und ihn sich bereits angeschaut. Am Abend würde er sich die alten Pläne noch einmal genauer vornehmen.
    »Ich werde die Wand dort drüben einreißen.« Henri schien Gedanken lesen zu können. Er zeigte auf die Danba und sah Bosch scharf an. »So bekommen wir einen einzigen großen Saal mit Klimaanlage und Bodenheizung.« Er tappte mit dem Fuß auf die abgetretenen Steinplatten. »Das heißt, wenn das überhaupt geht. Was hier wohl drunter ist?« Er legte den Kopf schief und lauschte. »Klingt irgendwie hohl, oder?«
    Bosch war in Gedanken noch bei der Wand. »Ich fürchte, man kann die Mauer nicht einfach abbrechen, Henri. Hoffentlich weiß die Baufirma, dass ich bei jedem Eingriff in die Bausubstanz dabei sein muss?«
    Auch wenn sein Honorar vom Schlossherrn bezahlt wurde, so war doch das Denkmalamt sein Auftraggeber. Und sollte in irgendeiner Bauphase etwas Erhaltenswertes zutage kommen, musste er das melden. Er wollte gar nicht daran denken, welche Kostbarkeiten in der Salzburger Altstadt beim Ausbau der alten Häuser aus Profitgier zerstört worden waren.
    »Selbstverständlich.« Henri machte eine etwas steife Verbeugung. »Ich freue mich sehr, dass Sie Ihre Aufgabe so ernst nehmen, Hans.« Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. Dann warf er einen Blick auf seine zerkratzte Stahlarmbanduhr. »Oh, ich fürchte, wir müssen unsere Besichtigung in ein paar Tagen fortsetzen, mon cher . Ich fliege morgen zu Ausgrabungen in die Türkei und erwarte gleich einen Anruf.« Er schmunzelte. »Cesario hat seine Qualitäten – aber zum Telefonfräulein taugt er leider gar nicht.«
    Am späten Nachmittag schoben sich die Urlauber durch das Ortszentrum von St.   Gilgen. Der Raddampfer »Franz Josef« hatte eine Ladung Ausflügler abgesetzt, und die ersten Badegäste beendeten ihren Tag am Strand. Nun suchten alle einen Sitzplatz in einem der Gastgärten. Bosch ging am Gemeindeamt

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