Totenkult
bereits verkauft seien. Aber was wusste sie schon von seinen Geschäften? »Ich kann ja mal diesen neuen Eventmanager –«
»Quatsch, wir machen’s richtig old fashioned. Dresscode: Dirndl und Lederhose. Sommerfrische am Wolfgangsee wie anno dazumal.« Er rieb sich die Hände. »Mit Spanferkel am Grill. Für alte Freunde und Geschäftspartner. Bring your friends! Und vielleicht ein paar einheimische Native Speaker. Fürs Lokalkolorit.«
»Ganz wie du willst.« Marie bückte sich und nahm eine Handvoll Sand, um sich den Pflanzensaft von den Händen zu putzen. Aber damit erreichte sie nur, dass auch die feinen Körner auf ihren Handflächen haften blieben. »Das Scheißzeug klebt wie Gift.«
Vom See kam wieder das Kichern. Dann platschte etwas ins Wasser. Eine junge Frau im blauen Bikini hatte sich auf das Surfboard geworfen. Nun lag sie bäuchlings darauf und paddelte am Ufer entlang, direkt auf sie zu. Als sie Marie und Roland bemerkte, hielt sie in ihren Kraulbewegungen kurz inne, dann stand sie geschickt auf und griff nach der Leine. Jetzt sah Marie, dass es ein Mädchen war, keine zwanzig Jahre alt. Lange kupferfarbene Locken fielen in nassen Wellen über ihren Rücken. Ihre kräftigen Beine standen sicher auf dem schwankenden Brett, das Bikinihöschen spannte sich über einem runden Hinterteil. Das Mädchen schaute zu ihnen herüber, hob einen pummeligen Arm und winkte.
Marie winkte zurück. Dann schaute sie Roland an. Der hatte die Hände wieder in den Hosentaschen vergraben und schien sich über den Eindringling zu amüsieren. Seine Augen waren halb geschlossen, und um seinen Mund spielte ein Lächeln.
Das Mädchen bückte sich, ziemlich lange und ziemlich umständlich, und zog das Segel aus dem Wasser. Dann richtete sie sich wieder auf und strich sich ein paar rote Locken aus dem Gesicht, wobei sie ihre Brust übertrieben herausstreckte. Sie drehte das Segel in den Wind, der Surfer machte einen Satz nach vorn, nahm Fahrt auf und schoss mit der drallen Lolita über das kabbelige Wasser in Richtung Abersee davon.
»Der kleine Mops scheint neben uns zu wohnen«, meinte Marie. »Verbringt sicher die Schulferien hier.«
Roland lachte. »Mhm.« Er wippte von den Fersen auf die Zehen, während er der immer kleiner werdenden Silhouette des Mädchens nachstarrte. »Niedlicher Käfer, was?«
Marie wurde kalt. »Kennst du sie?«
»Wen? Vicky?« Er kniff die Lippen zusammen.
Ihr Gefühl hatte sie nicht getrogen. »Woher kennst du dieses Mädchen?« Über ihr rauschte der Wind in den Weiden.
Roland wich ihrem Blick aus. »Ich glaube, der Kramladen im Ort gehört ihrer Oma, so einer richtigen alten Kräuterhexe.« Er lachte. »Möglich, dass ich die Kleine da mal gesehen habe.«
Marie kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass er log. »Ach so, ich dachte nur.« An den Blicken der Kellner meinte sie zu erkennen, wenn Roland einmal wieder eine andere Frau in ihr Stammrestaurant ausgeführt hatte. Seine Kreditkartenabrechnungen bewahrte er im Büro auf, aber einen gelegentlichen Blick in sein Handy konnte sie noch werfen. Leider verwendete er für manche Anrufer ihr unbekannte Kürzel. Roland setzte einen Fuß in Richtung Bauernhaus. »Ist was, Schatz?«, fragte Marie.
Er warf einen Blick auf seine goldene Rolex. »Ich muss los. Du weißt ja, die Präsentation in Rom …«
»Ins Büro?« Marie bückte sich, um ihre Enttäuschung zu verbergen, und griff nach einem faustgroßen Stein. Rasch scheuerte sie damit den Sand von ihren Händen. »Ich dachte, wir könnten noch schön am See essen … Au, verdammt!«
Sie hatte sich an der scharfen Kante des Steins geschnitten. Der Sand auf ihrer Haut färbte sich rot. Marie steckte sich den verletzten Finger in den Mund, damit das Blut nicht auf ihr Polohemd tropfte. Tränen brannten in ihren Augen. Das Blut schmeckte ekelerregend nach Eisen.
»Na ja, vielleicht ein andermal.« Sein Blick ging durch sie hindurch. »Zum Glück bist du ja mit dem Auto da.« Er schaute zu den Weiden zurück, die das Bauernhaus verbargen. »Aber geh du ruhig was essen. Bei mir wird’s heute sowieso später. Du brauchst nicht auf mich zu warten.«
Marie wollte etwas Patziges erwidern, aber sie wusste, je mehr Druck sie machte, umso mehr entzog er sich ihr. Auf einmal bekam sie heftiges Herzklopfen. Sie nahm die Hand aus dem Mund. Der Boden begann sich unter ihr zu bewegen.
»Wie immer«, murmelte sie.
»Was? Ja, genau … wie auch immer.«
Roland fragte nicht, wann sie nachkommen
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