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Totenkult

Totenkult

Titel: Totenkult Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Eberl
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zögerte, auf die Annahmetaste des klingelnden Handys zu drücken.
    »Meinetwegen kannst du ruhig rangehen. Vielleicht wieder ein wichtiges Geschäftsessen?«
    Roland reagierte nicht. Das Telefon klingelte weiter. Marie streckte schon die Hand danach aus, als er ihr den Rücken zudrehte, das Gespräch annahm und sich das Handy ans Ohr hielt.
    »Aschenbach?« Der Anrufer schien sich zu melden. Über die Schulter warf Roland Marie einen Blick zu und ging dann langsam den Kiesweg zum Haus hinauf. Marie konnte ihn nur noch sagen hören: »Woher haben Sie meine Nummer, verdammt?«
    Marie schaute ihm nach, wie er auf glatten Sohlen über den Kies schritt. Der Steinstaub würde die Poren des feinen Schuhleders verstopfen und die scharfen Kiesel die wie Lack glänzende Oberfläche der Schuhe zerkratzen. Es musste ein ziemlich wichtiger Anrufer sein, wenn er Roland dazu brachte, sich freiwillig seine geheiligten Maßschuhe zu ruinieren. Sie wartete, bis er einen angemessenen Vorsprung hatte, dann ging sie ihm nach.
    Roland blieb auf der Terrasse stehen und hörte dem Anrufer eine Weile zu. Abrupt blaffte er in den Hörer: »Sind Sie verrückt? Das verbitte ich mir!«
    Marie schlenderte ein paar Meter weiter zu dem prachtvollen Staudenbeet. Wie ein blauer Wald aus Speeren stach der Rittersporn zwischen dem rosafarbenen und weißen Fingerhut hervor. Aus der Nähe betrachtet, waren die Blüten auch nicht einfach nur blau. Da gab es dunkelblauviolette, blauschwarze und enzianblaue Blüten mit weißem Auge. Die Stängel des Fingerhutes dagegen strebten zwischen dekorativen dunklen Blättern empor. Die zartfarbenen Glocken öffneten sich von unten nach oben.
    »Und was geht mich das an?« Roland telefonierte jetzt in Hörweite. »Na und? War schließlich Ihre Entscheidung.«
    Am Rand des Beetes standen sternförmige weiße Blumen. Über ihre fünf Blütenblätter, die aus einer schwarzen Mitte wuchsen, zog sich ein Netz feiner Linien. Fast sah es aus, als wären sie aus gesprungenem Muranoglas. Aber sie wirkten nicht so, als ob man sich an ihrer durchsichtigen Schönheit erfreuen sollte. Eher, als könnte man sich an ihnen schneiden.
    »Umsonst ist der Tod, und der kostet das Leben.« In Rolands Ärger mischte sich Ungeduld.
    Zwischen den blühenden Stauden standen Sträucher, an denen kleine tiefschwarze Beeren hingen.
    »Soll das jetzt eine Drohung sein?« Rolands Stimme war leiser geworden, hatte dabei aber an Schärfe zugelegt.
    Die Beeren sahen appetitlich aus. Wie kleine Süßkirschen. Aber wuchsen die nicht an Bäumen? Oder wie große Heidelbeeren. Sicher gehörten auch Beeren zum Naschen in einen echten Bauerngarten.
    »Ach, Sie können mich mal …« Rolands Geduld war endgültig am Ende. »Ja, gut, tun Sie das – und verschonen Sie mich in Zukunft mit Ihren Anrufen.«
    Marie streckte die Hand nach dem Stängel eines rosa Fingerhutes aus, dessen Blüten sich schon fast zur Gänze geöffnet hatten. Das wollige Laub seiner Blätter kratzte, als sie es zwischen den Fingern rieb. Sie packte den Stiel mit festem Griff und zog daran. Die Pflanze neigte sich ihr entgegen, ließ sich aber nicht abbrechen. Verärgert über so viel Widerstand in ihrem eigenen Blumenbeet, spannte Marie die Armmuskeln und riss die Staude einfach aus.
    »Da scheiß ich drauf, verstanden?«, brüllte Roland. »Ja, ja … tun Sie das …« Die Terrassentür knallte zu.
    Marie riss ein paar vertrocknete Blätter von der Fingerhutrispe und ließ sie fallen. Sie wollte die Pflanze gerade zur Nase führen, als eine dicke Hummel aus der Röhrenblüte hervorschoss und für endlos scheinende Augenblicke vor ihrem Gesicht herumsummte, ehe sie davonflog. Erschrocken sah Marie ihr nach. Dann drehte sie sich um, die Pflanze noch immer in der Hand, und lief den Hang zum See hinunter.
    Hohe Weiden schirmten das Haus zum Wasser hin ab. Marie musste sich unter den tief herabhängenden Zweigen bücken, um ans Ufer zu gelangen. Dann, als hätte sich ein Vorhang geöffnet, lag der Wolfgangsee in seiner ganzen Pracht vor ihr. Der Föhn trieb Wellen über das Wasser und ließ weiße Schaumkronen tanzen. Der breite Schilfgürtel am Ufersaum duckte sich unter den Böen, und wenn er sich wieder aufrichtete, raschelten seine trockenen Halme, als tuschelten sie miteinander.
    Marie stützte die Hände in die Seiten. Zu ihrer Rechten breitete sich malerisch St.   Gilgen am karibikblauen Wasser aus. Segelboote mit kahlen Masten tanzten auf den Wellen vor der mit Ausflüglern

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