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Totenkult

Totenkult

Titel: Totenkult Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Eberl
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allerletzten Mal durch das Einfahrtstor hinausspaziert.
    Wenn Bosch in den Ort ging, stachen ihm die reißerischen Schlagzeilen ins Auge. Aber er kaufte sich keine Zeitung. Es würde noch Wochen dauern, bis die Schlossruine untersucht und die Brandursache ermittelt war. Bosch wusste nur – Cesario hatte es ihm am Telefon gesagt –, dass man Henris Leiche nicht gefunden hatte.
    Frau Aschenbach war immer noch im Krankenhaus. Aber sie war außer Lebensgefahr und hatte sich für die neuerliche Rettung bereits ausführlich bei ihm bedankt. Und sie hatte ihm unglaubliche Dinge erzählt. Nicht zuletzt deshalb musste er noch einmal mit Cesario sprechen. Dann würden, so hoffte er, auch die letzten unbeantworteten Fragen geklärt sein, und er konnte die Ereignisse am Wolfgangsee in einen entlegenen Teil seiner Erinnerungen verbannen.
    Nur Henri würde er nie vergessen. Dr.   Bosch, wenn ich nicht irre. Bosch hatte über die Anspielung auf den im afrikanischen Busch verschollenen Livingstone gelacht und sich damit Henris Anerkennung erworben. Hans, mon cher. Auch wenn Henri im wahrsten Sinne des Wortes über Leichen gegangen war, er fehlte Bosch. Henri, der Allwissende und Spaßvogel. Henri, der Freund – und Mörder. Madame, erklären Sie einem verstaubten Gelehrten, wie dieser Finanzhandel funktioniert. Da hatte das Ultimatum der Bank schon auf Henris Schreibtisch gelegen, und er suchte nach einer Lösung.
    »Don Hans?« Cesario stand vor ihm. Er trug die rote Outdoorjacke, und sein Haar war kürzer als an dem Abend, als Bosch ihn das letzte Mal gesehen hatte. Er lächelte, wirkte entspannt und unbeschwert. Auf seinem Rücken saß ein großer Rucksack. Jetzt war er der Student, der nach einem Europatrip zurück nach Hause flog. »Warten Sie schon sehr lange?«, erkundigte er sich.
    Bosch schüttelte den Kopf. »Ich habe nachgedacht.«
    Eine dünne Falte erschien zwischen Cesarios Brauen. »Über mich?« Er klemmte die Daumen unter die Rucksackträger und sah sich verstohlen um. Aus einer Tasche seines Rucksacks schaute ein Teddybär hervor. »Haben Sie sich’s anders überlegt? Wir können uns auch gleich hier verabschieden.«
    »Lass uns auf die Besucherterrasse gehen.« Die große Uhr über der Anzeigetafel zeigte auf halb eins. Noch eineinhalb Stunden bis zum Boarding. »Ich lade dich auf einen Kaffee ein, komm.«
    Sie waren die einzigen Gäste auf der Dachterrasse des Flughafens. Ein strahlend blauer, nur von einzelnen Zirruswolken durchzogener Himmel wölbte sich über Salzburg. Aber in dem Wind, der um die großen Buchsbaumkugeln in ihren Töpfen pfiff, lag schon eine erste Ahnung vom Herbst. Die Sonnenschirme waren geschlossen, und ihr Stoff flatterte, als wollten sie jeden Augenblick davonfliegen. Das Dröhnen der startenden und landenden Maschinen auf dem Vorfeld erschwerte zusätzlich die Verständigung. Aber es verhinderte auch ungebetene Zuhörer.
    Cesario stellte seinen Rucksack auf einen Stuhl. Dann zog er den Reißverschluss am Hals seiner Jacke zu und setzte sich. »Ein Wind wie in den Anden«, sagte er und lachte dabei.
    Bosch nahm ihm gegenüber Platz. Seine alte Strickjacke war viel zu dünn, und er fror schon jetzt. Als der Kellner kam, bestellte er einen russischen Tee mit viel Zucker. Cesario warf ihm einen scharfen Blick zu und entschied sich für eine Cola. »Den Kaffee kann ein Südamerikaner in Österreich nicht trinken«, sagte er entschuldigend.
    »Wo bist du denn her?«
    »Lima«, sagte Cesario. »Peru.«
    »Wieso sprichst du so gut Deutsch?«
    Cesario lachte. »Deutscher Kindergarten, deutsche Schule, und außerdem studiere ich in Heidelberg.«
    »Deutsch, nehme ich an.«
    »Und Journalismus.« Der Kellner brachte die Getränke. Nachdem er den Tee und die Cola abgestellt hatte, bedankte sich Cesario wohlerzogen. Nichts an ihm erinnerte mehr an Henris mürrischen Diener. »Ich fliege von Frankfurt weiter nach Lima.« Er trank einen Schluck Cola. »Zum Wintersemester bin ich wieder in Heidelberg.«
    Der russische Tee war ein Glas heißes Wasser, in dem ein Teebeutel trieb. Braune Schlieren flossen davon weg, wie die Arme eines Kraken. Bosch beschloss, sich einen Samowar zu kaufen. »Wie bist du zu Henri gekommen?« Er riss die Zuckertüte auf. Der Zucker darin war steinhart.
    »Im Schloss haben wir zum Tee immer braunen Kandis serviert.« Cesario schaute aufs Rollfeld hinunter, wo sich gerade eine grüne Maschine der Aer Lingus zum Start bereit machte. Die Kabinentüren schlossen sich, die

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