Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Totenmesse

Titel: Totenmesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
Vom Netzwerk:
Tor des Dogenpalastes stand ein ungeduldiger Aufseher, der die Nachzügler am liebsten auf den Kai hinausgeschaufelt hätte. »Closing time«, zeterte er mit heiserer Stimme und italienischer Ungeduld.
    Sie kamen wieder auf den Markusplatz und wanderten langsam zu den Bootsanlegern, wo ein vaporetto bereitlag. In einer einigermaßen dichten Menschenansammlung beugte sich Gunnar Nyberg zu Ludmila hinunter und flüsterte: »Du hast recht, es ist etwas passiert.«
    Und dämpfte ihr Zusammenzucken mit reiner Muskelkraft in Form einer Umarmung. »Du darfst dir nichts anmerken lassen. Nimm dieses vaporetto zur Polizeiwache, du weißt, wo sie ist. Geh hinein und bezichtige dich irgendeines schweren Vergehens. Sorge dafür, dass sie dich unter Aufsicht halten.«
    Ludmila zitterte. Gunnar dämpfte das Zittern mit einer noch festeren Umarmung. »Und du?«, sagte sie.
    Â»Ich muss etwas erledigen. Ich hole dich, sobald ich kann.«
    Â»Was musst du erledigen? Warum soll ich etwas gestehen, was ich nicht begangen habe?«
    Â»Du darfst nicht zum Hotel zurückfahren. Du brauchst Polizeischutz. Ich komme bald. Ich umarme dich. Ich liebe dich, das weißt du.«
    Â»Du wirst sterben, Gunnar.«
    Â»Sei still, meine Liebe. Ich werde nicht sterben. Ich habe um zu viel Leben zu kämpfen.«
    Â»Ich liebe dich«, sagte Ludmila und bestieg das vaporetto .
    Er winkte und sah dem Boot nach, bis es außer Sichtweite war. Wayne Jennings war nicht eingestiegen. Er hatte es auf ihn abgesehen.
    Gunnar Nyberg seufzte tief und starrte in die schwindende Sonnenscheibe, deren rosarote und orangefarbene Strahlen im glatten Meer badeten. Makellose Schönheit legte sich auf die Wasserstadt. Sie schmerzte ihn bis in die tiefsten Winkel seiner Seele. Es war ein schrecklicher Schmerz.
    Dann ging er eilig nach Norden. Glitt durch die Gassen, verirrte sich und fand sich wieder zurecht. Er brauchte sich nicht umzusehen, um zu wissen, dass er verfolgt wurde. Er spürte es bis ins Mark.
    Die Zahnarztpraxis befand sich in einem Haus aus dem siebzehnten Jahrhundert an einem kleinen Platz auf halbem Weg zwischen Markusplatz und Rialtobrücke. Er las die Namenschilder und zog an der Haustür. Sie war offen. Er stieg zwei Treppen hinauf. An der Tür der Praxis standen die Öffnungszeiten. Es waren italienische Zeiten, die Praxis schloss erst um zehn Uhr abends. Er hatte noch Zeit genug. Bevor er auf den kleinen Platz hinaustrat, sah er durch das Fenster in der Tür. Vielleicht war es nur Einbildung, aber er glaubte, einen Schatten zu sehen, der sich hastig in eine Gasse zurückzog.
    Das alles ist so unsäglich dumm .
    Er schüttelte den Kopf und wanderte weiter. Er wusste, wohin er als Nächstes gehen musste. Auf dem Weg zurück zum Markusplatz sah er einen Eisenhandel, ging hinein und kaufte einen Satz Meißel, ein Stemmeisen, einen Zollstock, eine Taschenlampe und ein Messer mit breiter Klinge. Er blieb bei einem noch geöffneten Wechselbüro stehen und hob mehr Euros ab, als er je in der Hand gehalten hatte. Dann war er am Ziel.
    Es war ein ziemlich elegantes Restaurant, das nachts geöffnet war und das er am Abend zuvor mit Ludmila besucht hatte. Sie hatten in der Tür kehrtgemacht, als Gunnar die Klientel gesehen hatte. Wenn er etwas sofort erkannte, dann waren es Verbrecher. Er hatte Ludmila um hundertachtzig Grad gedreht und war mit ihr auf sicheren Boden zurückgekehrt.
    Aber jetzt nicht. Er ging schnurstracks zur Bar, sah dem Barkeeper in die Augen und erkannte, was er zu erkennen gehofft hatte.
    Â»I need a gun«, sagte er.
    Der Barkeeper starrte ihn unverhohlen an und sagte: »You’re insane, Sir.«
    Nyberg setzte seine feine Grizzlybärmaske auf und hoffte, dass sie international anwendbar war. »Ich weiß, was das hier für ein Laden ist«, sagte er. »Aber keine Sorge. Alles, was ich brauche, ist eine Schusswaffe, und ich bin bereit, gut dafür zu bezahlen. Sehr, sehr gut.«
    Der Barkeeper starrte ihn mit einem anderen Blick an und sagte schließlich: »One moment, Sir.«
    Ein paar Minuten vergingen. Nyberg drehte sich um und stützte die Ellbogen auf den Tresen hinter sich. Scheinbar entspannt zurückgelehnt, suchte er das ganze Blickfeld ab. Keine Spur von einem Jennings. Das war auch nicht zu erwarten gewesen. Der Barkeeper tauchte wieder auf. Mit einer kleinen Handbewegung deutete er an, dass Nybergihmfolgen sollte. Sie

Weitere Kostenlose Bücher