Totenmesse
viel hinzuzufügen.
»Ich habe es versucht«, sagte Becker. »Jetzt könnt ihr mich ordnungsgemäà einsperren.«
Kerstin Holm sah Paul Hjelm an. Sie sah Arto Söderstedt und Sara Svenhagen an. Sie sah Jorge Chavez und Lena Lindberg an. Sie sah Niklas Grundström, Jon Anderson und Viggo Norlander an. Und sie sah zu Vladimir Kuvaldin und Andreas Becker hinüber.
Es war den Versuch wert gewesen.
»Bringst du sie zur Zelle, Viggo?«, sagte Kerstin. »Nimm Lena und Jon mit.«
»Sperrt mich ordnungsgemäà ein«, wiederholte Andreas Becker. »Lasst mich in Ruhe zum Fossil werden.«
Sie verlieÃen den Raum.
»Ja«, sagte Kerstin Holm. »Waren wir nahe dran oder nicht? Haben wir es richtig gemacht?«
Paul, Jorge, Arto, Sara, Niklas â habe ich es richtig gemacht?
Aber das sprach sie nicht aus.
»Das lässt sich nicht sagen«, sagte Paul Hjelm.
»Sicher haben wir es richtig gemacht«, sagte Arto Söderstedt. »Aber richtig ist nicht immer genug.«
Sie warteten, bis Viggo, Lena und Jon zurückkamen. Dann saÃen sie eine Weile zusammen.
Und dann trennten sie sich.
Es war schon Sonntagmorgen.
49
Am Sonntag wanderte Paul Hjelm durch Stockholm. Irrte durch die Stadt. Er versuchte, das Geschehene zu begreifen. Und in ihm tönte ununterbrochen Mozarts Requiem.
Requiem aeternam dona eis, Domine; et lux perpetua luceat eis.
Ewige Ruhe gib ihnen, Herr; und ewiges Licht leuchte ihnen.
Die Vergangenheit zu verändern ist eine übermächtige Aufgabe.
Die Zukunft zu verändern ist vielleicht trotz allem möglich.
Der Krieg im Irak dauerte schon vier Tage.
Auf Bagdad fielen Bomben. Ãlquellen standen in Flammen.
Und Andreas Becker, das Fossil, das plötzlich erwacht war, wurde wieder zum Fossil. Fünf Morde bedeuteten mit Sicherheit lebenslange Haft. Und dabei war die Vergangenheit noch nicht einmal mitgerechnet.
Vladimir würde nicht so lange sitzen müssen. Wenn er herauskam, hatten die Ãrzte ihn hoffentlich wieder zusammengeflickt.
Und Sven Fischer würde so davonkommen.
Es war kein langer Fall, dachte Paul Hjelm. Tatsächlich war er recht kurz gewesen. Ein paar jämmerliche Tage am Beginn des Irakkrieges an einem Ort, wo nicht viel geschah.
Paul Hjelm wusste nicht recht, was er fühlte.
Plötzlich, mitten auf der Hamngatan, sah er eine blonde Frau im Menschengewimmel. Sie kam direkt auf ihn zu.
Cilla und Paul Hjelm blieben voreinander stehen. Sie sahen sich mit einem gewissen Schrecken an. Als würdensie unfreiwillig in eine Vergangenheit zurückgeworfen, zu der sie sich nicht recht bekennen wollten.
SchlieÃlich beugte sich Cilla vor und umarmte ihn. Und als er sie umarmen wollte, war die Umarmung schon vorbei.
Ohne ein Wort ging sie weiter.
Sie hob die Hand zum Abschied.
Einem endgültigen Abschied.
Und verschwand.
Paul Hjelm stand da. Er war der einsamste Mensch auf der Welt.
50
Die Sonne schien mit aller Kraft über dem schmalen Sund zwischen Griechenland und der Türkei. Sie glitzerte und funkelte noch erstaunlicher als auf einer Ansichtskarte. Unter der Oberfläche befanden sich einige der noch nicht ausgebeutete Ãlquellen der Welt. Die Auseinandersetzungen zwischen Griechen und Türken hatten es verhindert.
Jetzt herrschte Frieden zwischen den Völkern.
Gunnar Nyberg hoffte, die Quellen würden trotzdem nicht angerührt werden.
Nicht zuletzt, weil sie dort wohnten. Weil sie dort ein kleines Haus besaÃen, er und Ludmila.
Er saà am Steilhang im Grünen und sah hinunter auf den Sund. Hier auf Chios fühlte er sich zu Hause. So weit ihm das möglich war.
Er hatte getötet. Und wofür?
Und nicht nur getötet, sondern hingerichtet.
Aber welche Wahl hatte er gehabt? Das war trotz allem der Kern der Sache. Er hatte zwischen Ludmila Lundkvist und Wayne Jennings gewählt. Und er hatte richtig gewählt.
Aber in sich selbst würde er sich nie mehr zu Hause fühlen.
Er sah sich um nach dem kleinen Haus und blickte weiter zum Berggipfel hinauf. Er dachte an das Massaker von Chios. Er dachte an die Massen von Flüchtlingen, die den Gebirgskamm erklommen hatten, um sich dann in den Abgrund zu stürzen und das Delta des kleinen Flussbetts rot zu färben.
Für einen kurzen Moment war vor Gunnar Nybergs Augen das ganze Meer rot.
Dann kam Ludmila und setzte sich neben ihn. So saÃensie im Gras und blickten auf den Sund. Das
Weitere Kostenlose Bücher