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Totenmesse

Titel: Totenmesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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schließlich als Sicherheitsrisiko eingestuft? Und beschlossen, dass es an der Zeit wäre, alle Spuren der Ereignisse in Stockholm und Visby vor einem halben Jahrzehnt zu tilgen?
    Und Jennings war schlicht und einfach hier, um Gunnar und Ludmila zu ermorden?
    Wayne Jennings. Der Mann, der in Vietnam zur Berufsmördermaschine geworden war, der eine offiziell autorisierte Welle von Serienmorden in den USA gestartet hatte, nach Schweden gekommen und zum angepassten schwedischen Bürger geworden war, dessen Vergangenheit ihn plötzlich eingeholt hatte.
    Der Mann mit dem bösen Blut.
    Wiedererstanden, um sich in Gunnar Nybergs Albträumen einzunisten.
    Das Handy klingelte, er hatte es geahnt. Er antwortete. Es war Kerstin Holm.
    Er versuchte, kurz und forsch zu antworten. Als wäre es ein ganz normales Gespräch unter Kollegen. Während ihm eine sehr merkwürdige, sehr unbehagliche Geschichte aufgetischt wurde, hörte er sich selbst auf ganz andere Dinge antworten, ein kleines Lachen, ein Glucksen, ein Schnauben.
    Er beendete das Gespräch.
    Â»Es war Kerstin«, sagte er.
    Â»Am Samstagabend?«, sagte sie.
    Â»Sie hat sich wohl einsam gefühlt«, sagte er und zuckte die Schultern.
    Â»Ist alles in Ordnung?«, sagte sie.
    Â»Ich glaube, ja«, sagte er. »Es schien so.«
    Â»Gut«, sagte sie.
    Â»Gehen wir eine Runde?«, sagte er. »Ich werde allmählich steif.«
    Er überlegte, wie viele Lügen in wenigen Minuten eine Beziehung aushalten konnte.
    Ludmila beobachtete ihn, während sie umschlungen nach Norden spazierten. Sie gingen an der Fassade des Markusdoms vorbei und bogen nach rechts ab, wo sich eine kleinere Baustelle am nördlichen Ende des Dogenpalastes ausbreitete. Nyberg betrachtete sie. Ein massives Steintor, das gerade repariert wurde, stand halb offen. Abschreckende Plastikbänder umzäunten die Stelle.
    Â»Es ist etwas passiert«, sagte Ludmila, und ihre Stirn über den gepflegten schwarzen Augenbrauen war gefurcht.
    Â»Nein, nein«, sagte Nyberg und lächelte unbekümmert. »Ich war nur ein bisschen um meinen Rücken besorgt. Stell dir vor, ich hätte Ischias gekriegt.«
    Er hasste jede einzelne Lüge. Jede Silbe trieb einen Keil zwischen sie. Und er war gezwungen, weiter zu lügen.
    Â»Ich hätte Lust, in den Dogenpalast zu gehen«, sagte Nyberg.
    Â»Nicht schon wieder«, seufzte Ludmila, immer noch mit gefurchter Stirn. »Sie machen jeden Moment zu.«
    Â»Wir schaffen es noch«, sagte Nyberg und zog sie einfach mit sich durch das Tor.
    Der Innenhof des Dogenpalastes zitterte im bleichen Dämmerlicht. Gunnar eilte zur Treppe zu den Kellerlöchern.
    Ludmila sperrte sich ein wenig. »Nein«, sagte sie. »Nicht wieder in die Folterkammern.«
    Â»Es geht mehr um die Gefängnislöcher«, sagte er. »Ich möchte sie nur noch einmal sehen.«
    Â»Na ja, okay«, seufzte Ludmila und folgte ihm die immer dunklere, immer feuchtere Steintreppe hinunter.
    Sie kamen in den Gang über dem Kanal. Die Seufzerbrücke. Die Fensteröffnungen zu den schönsten Seiten Venedigs als letzter Blick der Verurteilten. So manchen Seufzer wert. Dann kamen sie in die Kellerlöcher hinunter.
    Hohläugige Touristen gingen vorbei, mit unheimlichen Visionen vor Augen.
    Â»Ich drehe schnell eine Runde«, sagte Gunnar Nyberg. »Wartest du hier?«
    Ludmila nickte wenig erfreut, setzte sich in eine eiskalte Fensternische und zog den Mantel enger um sich.
    Nyberg begab sich ins Innere der Kellerlöcher. Bei einer massiven Steintür blieb er stehen und blickte sich um. Er schob den Riegel vor; es ging unerwartet leicht. Dann machte er die Tür wieder auf und betrat die Zelle. Hinter einer steinernen Querwand ging er in die Hocke und wühlte in seinem Rucksack. Er zog ein Paar Schuhe heraus und stellte sie so auf, dass die Schuhspitzen hinter der Querwand gerade noch zu sehen waren. Dann verließ er die Zelle und kehrte eilig zu Ludmila zurück. Während des kurzen Eilmarsches fuhr ihm ein Gedanke durch den Kopf: Wie zum Teufel habe ich sie dort zurücklassen können? Aber sie saß noch in der Fensternische. Die Brauen waren nach wie vor hochgezogen.
    Â»Jetzt reicht es mir«, sagte er forsch.
    Sie schüttelte den Kopf und folgte ihm die Treppe hinauf und zurück über die Seufzerbrücke. Der Weg in die Freiheit. Die Seufzer klangen in dieser Richtung anders.
    Im

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