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Totenmesse

Titel: Totenmesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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um.
    Ein Straßenkehrer fünfzig Meter entfernt. War es nicht zu früh für Straßenkehrer? Er meinte, unter dem Blaumann einen bäurischen Anzug zu erkennen.
    Und lief in die entgegengesetzte Richtung. Bis er tatsächlich über den Fassaden die Baumwipfel sah.
    Waren sie wirklich da?
    Nichts war sicher. Außer dem Ablieferungsort, dem Umschlag in der linken Innentasche. Und der Pistole in der rechten.
    Er rennt. Dreht sich um. Der Straßenkehrer ist weg. Bewegungen in den Gassen. Verdammt. Bäurische Anzüge.
    Und vor ihm der Park. Kurz, weit; weit, kurz. Weiß nicht, kann sich nicht entscheiden. Läuft.
    Schritte, Laufschritte. Wo? Woher? Hinter ihm? Vor ihm?
    In den Park. Zwischen die Bäume. Der tiefste Punkt des Wäldchens. Laufschritte. Wo? Bitte, ihr dürft mich jetzt nicht sehen, nicht jetzt, wo ich den Umschlag in das Loch hinter den Zweigen des am schwersten zugänglichen Baums schiebe.
    Seht mich jetzt nicht, ihr Teufel.
    Und er durchquert den Park. Etwas leichter. Jeder Schritt ein Sieg. Jeder Schritt, den er lebend tut. Er ist jetzt fast auf der Straße. Läuft wie wild jetzt, rast. Ein Scharren auf dem Asphalt. Der Straßenkehrer. Er nimmt ihn aus dem Augenwinkel wahr.
    Alles ist so unsäglich dumm.
    Es sind vier. Ein Straßenkehrer und drei in bäurischenAnzügen. Er wird ihnen nicht entkommen. Eigentlich läuft er nicht vor ihnen davon, sondern von dem Baum weg, dem Ablieferungsort. Jeder Schritt ein Sieg.
    Sie kommen näher und näher. Dann bleiben sie plötzlich zurück. Warum? Er läuft weiter und begreift. Er sieht die Umrisse gegen die verschmutzte Sonnenscheibe, die noch immer nicht komplett ist. Er sieht die Umrisse der maßgeschneiderten Anzüge. Er hält inne. Sieht sich um. Der Straßenkehrer und die drei Bauern warten ab, gehen langsam weiter. Die Maßgeschneiderten auch, von der anderen Seite.
    Er selbst ist zwischen ihnen. Ohne Ausweg.
    Doch hinter ihm ist eine kleine Kirche. Sie dient nur noch als Kartoffellager. Er erkennt sie. Er ist hier getauft worden.
    Ich wünschte, ich könnte beten.
    Zu dir, Gott, an den ich nicht glaube.
    Und die Zeit wandelte sich. Er blieb stehen. Atmete aus. Lächelte. Lachte vielleicht. Sank in die Hocke, den Rücken an der Kirchenwand. Nur Fassaden. Keine Alternative. Keine Alternative zur rechten Tasche. Zur rechten Innentasche.
    Er zog die Pistole hervor. Nicht um zu töten. Sondern um zu sterben.
    Er hockte an der Wand. Die Pistole schleifte über den Asphalt. Zeichnete unlesbare Figuren. Er schaute nach rechts. Die Straßenkehrergang näherte sich. Bauernlümmel. Ihre Blicke waren nicht mehr auf ihn gerichtet. Vielmehr auf die vier Maßgeschneiderten, die von links kamen. Er wandte den Blick dorthin.
    Keiner sah ihn an. Keiner schien ihn zu sehen.
    Und da begann er zu schießen. Nach beiden Seiten. Hoch über ihre Köpfe. Er wollte nicht sterben als einer, der getötet hat.
    Ich sterbe, ohne getötet zu haben, dachte er und schoss.
    Sie dürfen mich nicht kriegen. Das habe ich immer gewusst. Sie würden mich dazu bringen, alles zu verraten.
    Er hatte noch eine Kugel.
    Er drückte nicht ab. Wartete. Beobachtete ihre Reaktionen. Sah, wie es beide Lager durchzuckte. Ein kollektives Zucken von einer abgründigen Einsicht.
    Sie kam in der Sekunde, in der er den Mund öffnete und den Pistolenlauf hineinschob.
    Sie kam viel zu spät.
    Vater, dachte er.
    Dann war der Himmel vollkommen klarblau.

2
    Viggo Norlander war kein Polizist. Heute nicht. Nicht an diesem schönen Sonntag Mitte März.
    Heute war er Pfleger.
    Kümmerte sich um einen Pflegefall.
    Einen Wahnsinnigen, der in die Randbezirke des Universums fahren und Geld für alte Möbel zum Fenster hinauswerfen wollte, statt neue bei Ikea zu kaufen.
    Â»Es wird Spaß machen«, hatte der Pflegefall gesagt. »Ein Familienausflug.«
    Â»Schnauze«, hatte Viggo Norlander mit erlesener Finesse entgegnet.
    Woraufhin sich die beiden Familien in einem alten Minibus der Marke Toyota Picnic zusammenpferchen ließen. Neun Personen auf einem Familienausflug nach Roslagen. Und von diesen neun Personen hatte nur eine gute Laune.
    Nämlich der Pflegefall.
    Der auch noch fuhr, und zwar gern, aber erbärmlich. Darin waren die übrigen acht einer Meinung.
    Der sehr weißhaarige Pflegefall an Viggo Norlanders Seite besaß zweifellos eine gewisse Fähigkeit, in seiner eigenen Welt

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