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Totenmesse

Titel: Totenmesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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Mann.«
    Der Auktionator zog mit dramatischer Geste eine Menge Wolldecken von einem Möbelstück. Gut, ein bisschen mitgenommen sah er aus – ein paar Beschädigungen, ein falsches Bein, mehrere fehlende Griffe und Knöpfe, einige deutliche Risse –, aber aufs Ganze gesehen, bot der Barockschreibtisch einen imponierenden Anblick.
    Tatsache war, dass Arto Söderstedt Geld beiseitegelegt hatte. Ganz heimlich hatte er für diesen Schreibtisch ein Konto eingerichtet. Er hatte nicht vor, die alte Dame – odersonst irgendjemanden in der weiten Welt – gewinnen zu lassen.
    Â»Das Mindestgebot ist zweitausend Kronen«, rief der Auktionator.
    Hmmm, dachte Arto Söderstedt misstrauisch.
    Der Auktionator fuhr atemlos fort: »Und das ist natürlich ein Hohn angesichts dieses prachtvollen Stücks, das sehr gut nicht nur Goethe, sondern auch Beethoven gedient haben kann. Stellen Sie sich vor, dass der Faust oder die Neunte auf dieser Tischplatte geschrieben wurden, und bieten Sie dementsprechend.«
    Die dürre Dame reckte mit einem verschmitzten Blick auf Söderstedt die Hand in die Höhe.
    Â»Vornehme Gäste, wie ich sehe«, sagte der Auktionator und zeigte auf die Dame. »Zweitausend bietet die ehrwürdige Firma Lauras Antik auf Östermalm in Stockholm. Sie wissen selbst, Frau Laura, dass dieses Gebot einen Hohn auf die gesamte Branche darstellt.«
    Verflixt und zugenäht, dachte Arto Söderstedt und blinzelte erbost auf die Dame hinunter. »Dreitausend«, sagte er möglichst unbeteiligt und hob die Hand.
    Â»Dreitausend«, sagte der Auktionator und zeigte auf Söderstedt. »Danke. Wir wollen natürlich weiter.«
    Â»Fünf«, rief Frau Laura mit ganz neuer Stimme. Professionell.
    Â»Fünf fünf«, erklang eine Stimme weiter hinten. Söderstedt blickte sich um und sah einen Mann im Nadelstreifenanzug und mit karierter Fliege in der winterlichen Landschaft stehen. Er war von Profis umringt. Und er hatte nichts gemerkt.
    Aber das machte ja wohl den Profi aus …
    Â»Wollen Sie im Ernst halbe Tausender für dieses Meisterwerk bieten?«, rief der Auktionator gekränkt.
    Â»Sechstausend«, sagte Söderstedt und fürchtete die nächsten Minuten.
    Â»Sieben«, rief Frau Laura ungerührt.
    Â»Acht«, sagte der Fliegenmann von hinten.
    Herrgott, dachte Söderstedt und verfluchte seine Naivität. Wie hatte er glauben können, er bekäme den Schreibtisch unter fünfzehntausend? Das war alles, was er auf seinem Spezialkonto hatte. Und die Knete, die er sicherheitshalber vom Familienkonto abgehoben hatte, sollte er besser nicht anrühren.
    Â»Neuntausend« sagte er, und seine Stimme gab ein wunderliches Echo auf dem großartigen Hofplatz. Bald würde sie verstummen, bald würde ihr Inhaber sich den höhnisch lächelnden Familien zuwenden und den ganzen Heimweg bis nach Södermalm ironische Kommentare hören.
    Verflucht, in einer solchen Schicksalsstunde Angestellter im öffentlichen Dienst zu sein.
    Verflucht auch, Polizist zu sein.
    Er blickte zu seiner linken Achselhöhle hinab und wusste, was er von der absurden Frau Laura zu erwarten hatte.
    Aber sie war nicht mehr da. Und ihre Stimme auch nicht.
    Verwirrt blickte er sich in der Menschenmenge um, aber Frau Laura war nirgendwo zu sehen.
    Â»Zehntausend Kronen«, hallte dagegen die hochtrabende Stimme des Fliegenmanns.
    Â»Elf«, rief Söderstedt und fürchtete, dass seine Verzweiflung zu spüren war.
    Ist es nicht das, was man ein Luxusproblem nannte? Dachte er und wartete auf die Antwort des Fliegenmanns.
    Doch die blieb aus. Es war vollkommen still.
    Nicht ein Laut störte den schönen Spätwinternachmittag. Die Zeit war angehalten. Der Hammer des Auktionators war in der Luft erstarrt. Der Mund des Auktionators stand weit offen, als wollte das quirlige Mundwerk nie wieder einen Ton hervorbringen. Und Arto Söderstedt war davon überzeugt, dass er gestorben war. Dass so der Tod aussah. Dass der gestorbene Mensch sich außerhalb der Zeit bewegt,
    zwischen den Augenblicken. Man wird in seinem Todesaugenblick angehalten und verharrt so auf ewig.
    Der Tod als Standfoto.
    Doch nein. Es war ein Glücksmoment. So sah es aus – jetzt, wo er sich der fünfzig näherte. Keine erotischen Visionen mehr, nichts von der Art. Es war kindisch. Wie sehr er es auch von sich wies, dies war

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