Totennacht (German Edition)
fragte er.
Kat blieb im Ausgang stehen und hielt ihm und seinem Stock die Tür auf. «Na klar.»
«Gut. Im Auto kannst du mir ja ausführlich erzählen, wie es Eric Olmstead fertiggebracht hat, dir das Herz zu brechen.»
Kat ließ die Tür zurückpendeln. Sie verfehlte Nicks Gesicht nur um Haaresbreite. Er musste sie, gehandicapt, wie er war, selbst öffnen und sah durch die Glasscheibe, dass Kat ihn dabei mit einer Miene beobachtete, die sich mit dem Wort «belustigt» am ehesten beschreiben ließ.
«Das», brüllte er nach draußen, «war kein Versehen.»
Kat schmunzelte süßlich. «Das mit dem Stuhl auch nicht.»
3
Wie schon so viele Male saß Eric vor seinem Laptop, starrte auf den leeren Schirm und tippte die Worte: Finde ihn.
Seufzend las er die schwarzen Zeichen auf weißem Grund. Es war nicht das, was er hätte schreiben sollen. Seinem Lektor hatte er versprochen, fleißig an einem neuen Roman um seinen Ermittler Mitch Gracey zu arbeiten. Doch in den vergangenen zwei Wochen war nicht mehr dabei herausgekommen als diese beiden Worte, und die hatten mit Mitch, dem ehemaligen Sportreporter, der sich seit einiger Zeit als Detektiv versuchte, nicht viel zu tun.
Doch er fand einfach keinen anderen Einstieg. Ein weiterer Versuch führte lediglich zu der geringfügigen Abwandlung: Finde deinen Bruder.
Sofort löschte er, was er geschrieben hatte. Er musste sich konzentrieren. Er musste endlich etwas zustande bringen. Und zwar schnell. Der Abgabetermin drängte, und er hatte noch nichts vorzuweisen. Er richtete sich auf, ließ die Fingergelenke knacken und hielt die Hände über die Tastatur.
Sie blieben reglos.
Sosehr er sich auch anstrengte, er schaffte es einfach nicht, auch nur einen Satz zu formulieren. Ähnlich war es ihm in den Tagen vor dem Tod seiner Mutter ergangen, und in den beiden Wochen, die darauf folgten, hatte sich sein Zustand noch verschlimmert, was er mit einer Vielzahl von entschuldigenden Gründen zu erklären versuchte. Zum Beispiel mit seinem Aufenthaltsort. Der wacklige Schreibtisch und sein altes Kinderzimmer standen in einem himmelschreienden Kontrast zu dem Apartment in Brooklyn, seinem eigentlichen Zuhause. Oder mit den Zeitumständen. Normalerweise schrieb er nachts. Die Dunkelheit inspirierte ihn zu den düsteren Szenarien, die ein Krimi verlangte. In Perry Hollow aber wachte er schon frühmorgens auf. Die Krankheit seiner Mutter hatte den Tagesablauf vorgeschrieben, und jetzt, da sie tot war, konnte er sich von diesem Rhythmus nicht mehr lösen.
Tief im Innern aber wusste er, dass es nur vorgeschobene Gründe waren, fadenscheinige Entschuldigungen dafür, dass er den ganzen Tag untätig blieb, im Internet surfte oder zum x-ten Mal Animal House im Fernsehen schaute und dabei Erdnussbutterbrote aß. Der eigentliche Grund, warum Eric Olmstead nicht schreiben konnte, lag schlicht und einfach darin, dass ihm nichts einfiel. Er fragte sich, was zu dieser Blockade geführt hatte. Trauer wahrscheinlich. Schuldgefühle, ganz bestimmt. Jedenfalls schien alle Kreativität verschwunden zu sein und bis auf weiteres verschwunden zu bleiben, egal, wie viel Zeit er auch vor seinem Laptop verbrachte.
An diesem Morgen hatte er sich fest vorgenommen, am Schreibtisch sitzen zu bleiben, bis er entweder fünf Seiten geschafft hatte oder die Stunden bis Mittag ergebnislos verstrichen waren. Letzteres zeichnete sich als wahrscheinlicher ab, da ihn auch heute seine Inspiration im Stich ließ. Er war regelrecht erleichtert, als um Viertel nach neun die Türglocke läutete und für Ablenkung sorgte. Ablenkungen waren Schriftstellern fast ebenso willkommen wie Honorarüberweisungen.
Als er die Eingangstür öffnete, sah er sich einem Mann im schwarzen Anzug gegenüber, der auf der Veranda stand. Wäre er eine Figur aus seinen Büchern gewesen, hätte Eric ihn als mitgenommen, aber durchaus attraktiv beschrieben. Dass er am Stock ging, ließ auf eine schwere Vergangenheit schließen. Außerdem schien er einmal Polizist gewesen zu sein. Das verrieten die suchenden grünen Augen, die alles auf einmal aufzunehmen versuchten.
«Eric Olmstead?», fragte der Mann.
«Ja, Sir.»
Der Mann streckte eine Hand aus. «Ich bin Nick Donnelly.»
Eric registrierte, dass er wohl einen verwirrten Eindruck machte, denn der Mann fügte hinzu: «Wir haben am Freitag miteinander telefoniert und uns für heute Morgen verabredet.»
Eric schlug sich mit der flachen Hand an die Stirn. Erst jetzt realisierte er, dass
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