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Totennacht (German Edition)

Totennacht (German Edition)

Titel: Totennacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Todd Ritter
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doch einiges erfahren haben, oder?»
    «Mein Vater hat sich davongemacht, als ich zwei Jahre alt war. Und meine Mutter mochte darüber nicht sprechen.»
    Was sie besser hätte tun sollen, anstatt zu verdrängen und sich auf eine Weise zu verhalten, die ihrerseits Bände sprach. Im ganzen Haus hing kein einziges Bild von Charlie. Dass es überhaupt welche gab, hatte Eric herausgefunden, als er einmal, neugierig auf seine Weihnachtsgeschenke im Keller suchend, zufällig auf eine Pappschachtel voller Fotos gestoßen war. Er hatte den Rest des Nachmittags damit zugebracht, Bilder über Bilder von seinem Bruder zu betrachten. Zehn Jahre alte Fotos, die dort versteckt gewesen waren.
    Das Schlafzimmer des Bruders war, statt für andere Zwecke genutzt zu werden, unangetastet geblieben und versiegelt wie eine Gruft. Die Tür abgeschlossen, der Schlüssel lag weiß Gott wo. Eric hatte kaum einen Gedanken darauf verschwendet, aber manchmal, wenn er an der Tür vorbeikam, fragte er sich doch, wie es auf der anderen Seite aussehen mochte. Es stellte sich einen spärlich eingerichteten, schmucklosen Raum vor, eine Art Klosterzelle.
    Die Fotos hatte sich Eric nur dieses eine Mal und dann nie wieder angeschaut, auch nicht, als seine Mutter im Sterben lag. Noch hatte er sie jemals um den Schlüssel für das Zimmer gebeten. Es wäre für sie allzu schmerzhaft gewesen.
    Die Bewohner von Perry Hollow waren weniger zurückhaltend gewesen und hatten viel über seinen Bruder gesprochen. Alles, was Eric über das Unglück wusste, hatte er von Klassenkameraden, Lebensmittelhändlern und Mitgliedern der Kirchengemeinde, denen er begegnete, als er noch, von der Mutter dazu angehalten, am Gottesdienst teilgenommen hatte. Ob das, was er von ihnen hörte, der Wahrheit entsprach, wusste er nicht, und mit den Jahren legte er darauf auch keinen gesteigerten Wert mehr. Er war für jede Information, ob richtig oder falsch, einfach nur dankbar.
    Auf diesem Weg hatte er erfahren – und das teilte er Nick nun mit –, dass Charlie am Abend des 20. Juli 1969 verschwunden und nie mehr aufgetaucht war. Die einzige Spur, die er zurückgelassen hatte, war sein Fahrrad. Es wurde von seiner Mutter, Kats Vater und einem Deputy entdeckt, als es über den Sunset Falls im Fluss trieb. Am nächsten Morgen fand man es zertrümmert zwischen den Felsen am Fuß des Wasserfalls. Der Junge aber blieb unauffindbar. Die Presse berichtete, Suchmannschaften durchkämmten die Gegend, im Haus der Olmsteads herrschte beklommenes Schweigen, und ein paar Tage später verfasste Chief Jim Campbell seinen offiziellen Bericht, wonach Charles Olmstead aus Versehen mit seinem Fahrrad in den Fluss geraten, über die Klippen gestürzt und von der Strömung mitgerissen worden war.
    «Und das hat Ihre Mutter nicht geglaubt?», fragte Nick.
    «Offenbar nicht.»
    Kat, die bis zu diesem Augenblick kein Wort gesagt hatte, beugte sich vor. «Und was glaubst du?»
    «Ich weiß nicht, was ich glauben soll. Charlie ist verschwunden. Für mich war er das immer schon. Allerdings hoffe ich sehr, dass endlich ans Licht kommt, was damals tatsächlich geschehen ist.»
    «Warum jetzt?», wollte Nick wissen. «Vierzig Jahre später?»
    «Es war der letzte Wunsch meiner Mutter.»
    Und Eric hatte ihn als Erbe angenommen, zusammen mit Maggies Haus, dem Wagen und einer kleinen Summe Erspartem. Das Haus wollte er verkaufen, den Wagen verschenken, und das Geld sollte an einen wohltätigen Verein gehen. Am Ende würde ihm nur der Wunsch bleiben. Seit ihrem Tod waren zwei Wochen vergangen, aber immer noch hörte er ihre letzten geflüsterten Worte.
    Sie glauben mir nicht. Dir werden sie glauben. Finde ihn. Finde deinen Bruder .
    Eric war, als sie dies sagte, so niedergeschlagen und von seiner Trauer so aufgewühlt gewesen, dass er nicht wirklich verstanden hatte, was sie meinte. Er glaubte, dass sie in ihrem Todeskampf delirierte und mit seiner Hilfe den vor Jahrzehnten verlorenen Sohn heraufzubeschwören versuchte. Erst ein paar Tage später, nach der Trauerfeier, an der Menschen teilgenommen hatten, die er kaum kannte, war ihm die Bedeutung ihrer Worte bewusst geworden. Seine Mutter wollte tatsächlich, dass er sich auf die Suche machte. Sie wollte, dass er Charlie fand. Es war nicht nur ein Wunsch, sondern der letzte Auftrag einer Mutter an ihren Sohn.
    Am Tag nach der Beerdigung fand er dies bestätigt, als ihn der Anwalt seiner Mutter wegen der Hinterlassenschaft kontaktierte und erklärte, Maggie sei all

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